Lehrer sollten Vorbilder sein, Lehrer-Ausbilder erst recht – sollte man meinen. Doch bei der Besetzung eines Leitungspostens hat ein Seminar nach Kräften getrickst. Die Quittung bekam das Kultusministerium jetzt per Gerichtsurteil.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - An seine Arbeit legt das Staatliche Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Stuttgart hohe Maßstäbe an. Weil das Leben so kurz sei, müsse man das, was man anpacke, „dann wirklich gut machen“ – so zitiert die Direktorin, Professor Veronika Gulde, auf der Homepage den verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs. In diesem Sinne bemühe man sich, die Lehrerinnen und Lehrer bestmöglich für den Alltag an den beruflichen Schulen zu rüsten.

 

Eine der von Gulde erwähnten „Anforderungen“ dort ist, dass es gerecht zugeht und alle die gleichen Chancen haben. Wenig erregt Schüler, aber auch Eltern so sehr, wie wenn sie das Gefühl haben, dass jemand einseitig bevorzugt oder benachteiligt wird. Vor allem bei Bewertungen und der Notenvergabe gilt es daher, möglichst nachvollziehbare und objektive Maßstäbe anzulegen.

Dritter Anlauf zu Jobvergabe nötig

Ausgerechnet bei dieser Kernkompetenz der Lehrer hat das Seminar nun aber ein denkbar schlechtes Vorbild abgegeben. Vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg bekam es jüngst rechtskräftig bestätigt, bei einer Stellenbesetzung grob ungerecht vorgegangen zu sein. Einer der Bewerber für den Posten des „Bereichsleiters Wirtschaftswissenschaften“, offenkundig der Favorit der Seminarleitung, sei im Auswahlverfahren rechtswidrig bevorzugt worden – weshalb dieses nun wiederholt werden muss.

Für das Seminar und das übergeordnete Kultusministerium ist das gleich doppelt peinlich, nachdem schon der erste Anlauf schiefging. Das bereits 2015 gestartete Verfahren musste abgebrochen werden, weil der Personalrat nicht regelgemäß einbezogen worden war. Beim zweiten Versuch hätte man da besondere Umsicht erwarten können – doch nach dem Urteil des VGH (Aktenzeichen: 4 S 1578 / 16) wurde erneut schwer gepatzt. Die Richter fanden es zwar in Ordnung, dass die Auswahl nicht nur auf aktuellen Beurteilungen beruhte, sondern ergänzend auf Vorstellungsgesprächen; diese seien vor allem bei „Qualifikationsgleichstand“ ein geeignetes Mittel. Alle Bewerber müssten dabei freilich die gleiche Chance haben – doch das hatten sie nicht.

Ruckzuck fast 100 Zettel beschriftet

Wie bei Prüfungen, erläuterte der VGH, verbiete sich jede Form der Bevorzugung oder Benachteiligung. Sonst werde der Zweck vereitelt und das Ergebnis verfälscht. Bei der Auswahl der „Arbeitsproben“ aber sei der besagte Bewerber „unzulässig bevorzugt“ worden: Er durfte über ein Thema referieren – die wachsende Heterogenität, also Unterschiedlichkeit der Schüler –, das ihm seit Jahren bestens vertraut war: als Mitautor einer einschlägigen Broschüre fürs Kultusministerium ebenso wie als Referent. In der Aufgabe wurde sogar auf Unterlagen Bezug genommen, die er selbst erstellt hatte.

Kein Wunder, dass er binnen einer halben Stunde Vorbereitungszeit fast 100 Zettel für seine Präsentation an der Stellwand beschriften konnte – er bewege sich ja „auf vertrautem Terrain“, konstatierten die Richter. Der Mitbewerber habe diesen „Erfahrungs- und Wissensvorsprung“ durch seinen Hintergrund hingegen nicht annähernd ausgleichen können. Prompt erhielt er als Note nur eine 2–3, sein Konkurrent aber eine glatte 1.

Den Einwand des Kultusministeriums als Prozessvertreter des Landes, dafür sei er bei zwei anderen Aufgaben im Vorteil gewesen, ließ der VGH nicht gelten. Die Auswahl werde nicht dadurch besser, dass das Verbot der Bevorzugung gleich „mehrfach verletzt“ werde. Fazit des Beschlusses: Es sei „gezielt eine Aufgabe ausgewählt“ worden, bei der der favorisierte Bewerber besser aussehen würde; mit dem Gebot der Chancengleichheit lasse sich dies nicht vereinbaren.

Blamage auch für das Kultusressort

Nun muss die Stelle erneut ausgeschrieben werden – eine Blamage auch fürs Kultusressort von Susanne Eisenmann (CDU). Dort heißt es, der VGH-Beschluss entspreche „nicht unserer Einschätzung“; in der ersten Instanz habe man noch obsiegt. Die Vorbildfunktion des Landes sieht eine Sprecherin aber nicht infrage gestellt: Moniert werde nicht die Beurteilung oder das Auswahlverfahren an sich, sondern alleine das Thema der Arbeitsprobe. Um die Notengebung sei es mithin gar nicht gegangen – angesichts der Trickserei eine eher spitzfindige Ausrede. Immerhin liegt der Fall so, als würde ein Lehrer eine Klassenarbeit just zu jenem Thema schreiben lassen, von dem er weiß, dass sein Lieblingsschüler dabei einen enormen Wissensvorsprung hat.

Die Rolle der Seminarleiterin, die nicht zum ersten Mal mit Personalturbulenzen auffällt, wollte das Ministerium nicht bewerten. Veronika Gulde selbst – die Frau mit dem hohen Anspruch – wollte sich auf Anfrage nicht zu dem VGH-Beschluss äußern: Sie verwies auf die Auskunft des Kultusressorts. Indirekt bestätigte Gulde immerhin Informationen der StZ, wonach der Wunschkandidat den Bereich derzeit kommissarisch leitet. Dies sei aber „kein Präjudiz für die endgültige Besetzung“.