Der Formel-1-Boss Bernie Ecclestone verlässt das Landgericht München nach einem Kuhhandel ärmer, aber mit juristisch weißer Weste. Ein Schuldspruch wäre unwahrscheinlich gewesen, sagte der Richter. Doch ein Nachspiel steht noch an.

München - Peter Noll ist skeptisch. „100 Millionen Dollar wären eine erhebliche Summe“, sagt der Richter: „Sind die Mittel in einer angemessenen Zeit flüssigzumachen?“ „Yes“, bejaht der Angeklagte Bernie Ecclestone knapp in seiner Muttersprache. Binnen einer Woche sei die Zahlung in der Formel-1-Währung zu realisieren. Mit dem Kurzdialog endet einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse der letzten Zeit. Der 83-jährige Brite hat sich mit der Staatsanwaltschaft, die ihn wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue anklagen wollte, auf eine Geldauflage in Rekordhöhe geeinigt, um eine Einstellung seines Verfahrens zu erreichen. Ecclestone gilt damit als unschuldig, nicht vorbestraft und kann Formel-1-Chef bleiben.

 

Als Richter Noll im voll besetzten Saal B177 des Landgerichts München die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage verkündet hat, steht der 1,59 Meter kleine Brite auf, geht zum Richtertisch und bedankt sich. Auch dem Staatsanwalt schüttelt er die Hand. Es sei kein Freikaufen, betont sein Verteidiger Sven Thomas kurz darauf. Die Chancen auf einen Freispruch seien da gewesen. Sein Mandant sei im Hauptberuf aber nicht Angeklagter, sondern Formel-1-Chef, und da könne er im Zweifel nicht noch Monate auf der Anklagebank schmoren.

Die Affäre Gribkowsky

Zu Prozessbeginn im April hatte es für Ecclestone noch schlecht ausgesehen. Der Ex-Landesbanker Gerhard Gribkowsky, dem Ecclestone bei einem Besitzerwechsel von Formel-1-Anteilen 2006 unbestritten auf geheimen Wegen 44 Millionen Dollar hatte zukommen lassen, war zu diesem Zeitpunkt wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung bereits rechtskräftig zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt – von Richter Noll. Der einstige BayernLB-Vorstand hatte gestanden, von Ecclestone bestochen worden zu sein. Im Gegenzug habe er dafür gesorgt, dass Formel-1-Anteile im Besitz der BayernLB an den US-Investor CVC gingen, einem Käufer, der mit Ecclestone als Formel-1-Chef weitermachen und ihm die Macht erhalten wollte. So kam es dann auch.

Für Ecclestone hätte das bei seinem jetzt spektakulär beendeten Prozess im schlimmsten Fall zehn Jahre Haft bedeuten können. Aber nachdem er sich seinerzeit auf seine Art mit Gribkowsky geeinigt hatte, gelang ihm dieses Kunststück nun auch mit der Justiz. Noll versuchte das auch dem Rechtsempfinden von Nichtjuristen verständlich zu machen. Während der 21 Verhandlungstage hätten sich die Tatvorwürfe nicht erhärtet, sagte er in der Urteilsbegründung.

Anklage auf wackeligen Beinen

Angeklagt war die Bestechung Gribkowskys in seiner Eigenschaft als Amtsträger. Als solcher gilt er als Vorstand einer Landesbank und damit eines halbstaatlichen Instituts automatisch. Aber konnte oder musste Ecclestone das wissen? Eher nicht, meinte Noll. Ein Vorsatz ausschließender Irrtum des Angeklagten in diesem entscheidenden Punkt sei jedenfalls möglich, obwohl er Gribkowsky und andere BayernLB-Mitarbeiter nach Zeugenaussagen als „civil servants“, also Staatsdiener, beschimpft haben soll. Auch der Anklagepunkt Anstiftung zur Untreue stand für das Gericht auf wackligen Beinen. Dieser basiert darauf, dass Ecclestone für die Vermittlung des Käufers CVC 41 Millionen Dollar Provision kassierte, welche die BayernLB bezahlt hat. Ecclestone habe beim Verkauf die Schlüssel in der Hand gehabt und könnte Anspruch auf diese Provision gehabt haben, meinte Noll. Bei einer alternativen Verurteilung wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr ohne Berücksichtigung von Gribkowskys Amtsträgerstatus wäre aber eine Freiheitsstrafe sicher nicht in Betracht bekommen.

Ecclestone hatte ohnehin stets beteuert, den Banker nicht bestochen zu haben, sondern von ihm erpresst worden zu sein. Gribkowsky hätte ihn beim britischen Fiskus anschwärzen und eine Steuernachzahlung in Milliardenhöhe auslösen können.

Eine Einstellung des Verfahrens sei jedenfalls zu rechtfertigen, auch weil der Angeklagte recht alt und nicht vorbestraft sei, erklärte der Richter. Aus der Höhe der Zahlung könne man im Übrigen nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung oder die Schwere einer potenziellen Schuld schließen. Die 100 Millionen Dollar (74,5 Millionen Euro) seien lediglich den wirtschaftlichen Verhältnissen Ecclestones geschuldet, der als mehrfacher Milliardär gilt.

Die Basis für die Rekordsumme

Fast deckungsgleich hatte zuvor auch der Staatsanwalt Christian Weiß argumentiert, als er die Einwilligung der Ankläger zur Verfahrenseinstellung erklärt hatte. Dies geschah auf der juristischen Basis des Paragrafen 153a Strafgesetzbuch. Dieser Passus regelt, dass ein Verfahren ohne Urteil gegen Auflagen beendet werden kann, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der zu Last gelegten Taten dem nicht entgegensteht. Meistens kommt der Paragraf bei Verkehrsdelikten zur Geltung.

Auf einen solchen Batzen Geld wie Ecclestone hat sich jedenfalls noch kein Angeklagter mit einem deutschen Gericht geeinigt. Selbst der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, blieb im Zuge des Mannesmann-Prozesses mit 3,2 Millionen Euro gegen Verfahrenseinstellung weit unter dieser Dimension. Ecclestone zahlt jetzt 23-mal so viel.

Der straffrei ausgegangene Brite verkniff sich im Gerichtssaal jeden Triumph wie einst Ackermann, der die Finger zum Victory-Zeichen spreizte. Ecclestone dagegen nahm den finanziellen Aderlass wie auch die Beendigung seines Verfahrens ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Er versprühte im Gerichtssaal die beherrschte Aura eines erfahrenen Taktikers, der soeben ein Geschäft verhandelt – dem Gegenüber aber auch im Triumph nicht zu erkennen gibt, ob er ihn möglicherweise doch über den Tisch gezogen hat.

Ein Nachspiel steht noch an. Denn zivilrechtlich will die BayernLB als mutmaßliches Opfer der Kumpanei zwischen Ecclestone und Gribkowsky den Briten noch in Regress nehmen. 400 Millionen Euro hat die Bank gefordert. Hinter den Kulissen wird derzeit über eine Summe von 25 Millionen Dollar geredet. Ecclestone weiß, wie man erfolgreich verhandelt.