Ein 29-Jähriger, der im Frühjahr in Geislingen seine Ex-Freundin und deren Schwester als Geiseln genommen hat, muss acht Jahre ins Gefängins. So lautet das Urteil des Ulmer Landgerichts.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Geislingen/Ulm - Wegen Geiselnahme und schwerer Körperverletzung hat das Landgericht Ulm am Donnerstag einen 29-jährigen Mann zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Opfer des Angeklagten sind dessen frühere Lebensgefährtin sowie deren Schwester gewesen. Das Motiv: Rache, Verzweiflung und der Kampf um das Besuchsrecht einer Tochter.

 

Zur Trennung zwischen dem zur Tatzeit 28-Jährigen und seiner Lebensgefährtin kam es im Juli des vergangenen Jahres. Es gab Streit über das gemeinsame Kind, nur einen Monat später kam es zu einem Angriff des Mannes auf die Frau. Die Folge war ein gerichtlich verhängtes Annäherungsverbot. Der Vater verlor jedes Sorgerecht.

Richter: Der Mann schmiedete einen Racheplan

Die folgenden Monate stellte sich der Ulmer Richter Thomas Keckeisen als eine Zeit vor, in der in dem Mann die Wut immer weiter wuchs. „Er hatte Tötungsfantasien, ganz klar.“ Wohnsitzlos geworden, ohne Arbeit und Einkommen, schmiedete der Mann einen Racheplan, den er am 15. April auszuführen begann, so das Gericht.

Mit einem Schlüsselwerkzeug verschaffte er sich Zugang zur Wohnung der Schwester seiner einstigen Lebensgefährtin im Geislinger Stadtteil Eybach. Mit sich trug er ein ganzes Waffenarsenal: eine Armbrust, einen Schlagstock, Messer, Säure, selbst gebaute Bombenattrappen und eine Maske. Der 29-Jährige Mann überwältigte die Frau in deren Wohnhaus. Der Plan: sie sollte unter dem Eindruck der „massiven Drohkulisse“, so der Richter, dazu gebracht werden, die eigene Schwester zu sich zu locken.

Die Frauen konnten flüchten

Der Plan begann schnell, schiefzulaufen. Das Opfer, obwohl zunächst gefesselt und geknebelt, weigerte sich, die eigene Schwester dem vermuteten Tod auszuliefern. Zugleich, so das Gericht, gelang es der Frau, dem Geiselnehmer nach und nach den Tötungsplan auszureden. Drei Tage hielt sie stand, bis zum 18. April. Dann war der Widerstand gebrochen. Die unter einem Vorwand bestellte Schwester erschien gutgläubig in der Wohnung. Doch es kam zu einem Kampf, wegen des lauten Geschreis mischten sich Nachbarn ein. Die Frauen konnten fliehen, der 29-Jährige stellte sich bald darauf der Polizei.

Die detailbesessene Planung und lange Dauer der Geiselnahme belasteten den Angeklagten schwer, sagte der Richter in der Urteilsbegründung. Dennoch blieb er erheblich unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft, die zwölfeinhalb Jahre Haft gefordert hatte. „Man wird diesem Fall nicht gerecht, wenn man nicht auch die Gewalterfahrungen durch die Eltern berücksichtigt.“

Die Familie des Geiselnehmers war aus dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Deutschland geflüchtet. Der Vater gab in der Familie eine „archaische Struktur“ vor, betrank sich, schlug immer wieder zu. Eines Tages erstickte er im Vollrausch an Erbrochenem. Als Kind bat der heute 29-Jährige aus eigenem Antrieb um Aufnahme in einem Kinderheim. Nach der Heimzeit handelte er mit Drogen, erhielt Vorstrafen, auch wegen Fahrens ohne Führerschein.

Dem Täter droht nach der Haft die Abschiebung

Als er endlich eine Freundin kennenlernte, mit ihr eine Tochter bekam, habe er sich dem Kind als liebender Vater gezeigt, so der Richter Keckeisen. Aber zugleich habe er „verwirklicht, was er bei seinem eigenen Vater erlebt hat“. Selber Geld verdienen, Sicherheit schaffen, im Haushalt helfen, das sei ihm nicht in den Sinn gekommen.

Nach Überzeugung des Gerichts ging es dem 29-Jährigen bei der Geiselnahme am Ende darum, die Tochter endlich wieder regelmäßig sehen zu können. „Er hat nicht das Schlimmste getan“, sagte der Richter Keckeisen. Er deutete an, dass der Angeklagte nach Verbüßung einer gewissen Haftzeit wohl eine Abschiebung nach Sri Lanka zu erwarten habe.