Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil zu Hartz IV gesprochen. Es hält die Sozialleistung insgesamt für ausreichend hoch – fordert aber gleichwohl Nachbesserungen.

Stuttgart - Das Bundesverfassungsgericht hat die Höhe der Hartz-IV-Leistungen im Jahre 2011 „noch“ für verfassungskonform erklärt. Sie sei damals „nicht evident unzureichend“ gewesen. Das Verfassungsgericht, so die Richter, werde nur Einspruch gegen die Höhe der Sozialleistungen erheben, wenn „offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist.“ Alles andere sei Sache des Gesetzgebers.

 

Die Verfassungsrichter prüften nur die Situation 2011, billigen aber ohne nähere Begründung auch die Regelungen für die Jahre danach. Sie fordern vom Gesetzgeber und von den Sozialgerichten zugleich Nachbesserungen in der Zukunft. Die Entscheidung fiel im Juli 2014, wurde aber erst am Dienstag veröffentlicht, nachdem die Bundesregierung eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 8 Euro angekündigt hatte. Insbesondere fordern die Richter, „ungewöhnlich hohe Preissteigerungen“ beim Haushaltsstrom auszugleichen. Tatsächlich sind die Strompreise inzwischen stark gestiegen. 2011 seien die angesetzten Werte noch verfassungskonform gewesen.

Wie viel Geld gibt es für einen neuen Kühlschrank?

Zweitens verlangen die Richter faktisch Nachbesserungen bei der Anschaffung von „akut existenznotwendigen, aber langlebigen Konsumgütern“ wie Kühlschränken und Waschmaschinen. Die Hartz-IV-Empfänger sollen einen Betrag von knapp 3 Euro monatlich ansparen, um solche Geräte kaufen zu können. Hier könne, so die Richter, eine „Unterdeckung entstehen“. Ähnliches gelte für Brillen. Die Verfassungsrichter fordern von den Sozialgerichten deshalb eine „verfassungskonforme Auslegung“ des Gesetzes und die Gewährung von Zuschüssen neben den gewöhnlichen Leistungen. Gelinge dies nicht, sei „künftig“ der Gesetzgeber gefordert.

Drittens dringen die Verfassungsrichter darauf, dass der „existenznotwendige Mobilitätsbedarf“ gesichert wird. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber alle Kosten für ein eigenes Auto gestrichen hat. Dies sei zulässig, so die Richter. Dann aber entstünden höhere Kosten für Bus und Bahn, die bisher nicht berücksichtigt seien.

Trinken Jugendliche heute weniger Alkohol?

Widersprüchlich ist die Entscheidung bei den Leistungen für Kinder und Jugendliche. Einerseits verlangen die Richter mehr Geld für Kinder zwischen 15 und 18 Jahren, wo der Verteilungsschlüssel 2011 „offensichtlich unrealistisch“ zu werden drohte. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, dem „im Rahmen der nächsten regelmäßigen Anpassung der Höhe des Regelbedarfs Rechnung zu tragen“.

Begründet wird diese Erhöhung nicht sehr überzeugend damit, dass die übrigen Jugendlichen in diesem Alter inzwischen weniger Alkohol tränken und weniger rauchten. Die Höhe von Hartz IV wird aus dem Verbrauch armer Familien berechnet, die kein Hartz IV beziehen. Die Kosten für Tabak und Alkohol werden bei Hartz IV aber herausgerechnet. Wenn andere Jugendliche weniger trinken und rauchen, so die Richter, steige entsprechend der „existenzsichernde Bedarf“ von jugendlichen Hartz-IV-Empfängern.

Auf der anderen Seite sehen die Richter keinen zusätzlichen Bedarf bei Kleinkindern, denen lediglich 2,19 Euro für die Körperpflege zugebilligt wirkt. Die Richter merken ausdrücklich an, dass dieser Betrag noch nicht einmal ausreicht, um für mehr als eine Woche Windeln zu kaufen. Ähnliches gelte für Kinderschuhe. Macht nichts: „Dass insoweit bei einer globalen Betrachtung ein interner Ausgleich etwa durch Ansparen ausgeschlossen wäre, ist jedoch derzeit nicht erkennbar.“

Die Richter billigen das Statistikmodell, mit dem der Gesetzgeber die Höhe von Hartz IV errechnet, ebenso wie die Abweichungen von diesem Modell, mit denen der Gesetzgeber dann auch nach Ansicht des Gerichts zu dem von ihm gewünschten Ergebnis kam. (Aktenzeichen: 1 BvL 10/12)