Im Streit um das Sturmgewehr G 36 gibt die erste Instanz Heckler & Koch recht. Das Unternehmen genießt und schweigt, während das Ministerium den Weg in die Berufung erwägt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Im Rechtsstreit um Schadenersatz beim Bundeswehr-Sturmgewehr G 36 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Niederlage erlitten. Das Oberlandesgericht Koblenz hat dem Rechtsersuchen des Herstellers, der Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch, „in vollem Umfang“ stattgegeben. Dem Verteidigungsministerium stehen nach Auffassung des Richters keine Mängelrechte und damit auch keine Gewährleistungsansprüche zu, wie das Gericht in seinem Urteil feststellte.

 

Ministerium kritisiert Argumente des Gerichts als wackelig

Das Verteidigungsministerium erwägt nach Angaben seines Sprechers Jens Flossdorf, in Berufung zu gehen. Wenn das Gericht sein Urteil auf „dieselben wackeligen Gründe“ stützte, wie bei der mündlichen Verhandlung, wolle das Ministerium die nächste Instanz anrufen. „Wir haben eine andere Rechtsauffassung“, fügte er hinzu. Heckler & Koch wollte das Urteil auf Anfrage unserer Zeitung nicht bewerten oder kommentieren. Bei dem Verfahren ging es nicht um alle 167 000 G 36 Sturmgewehre, die bei der Bundeswehr in Gebrauch sind; das Urteil betrifft lediglich zwei Verträge über die Lieferung von knapp 4000 Sturmgewehren dieses Typs, deren Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind. Hintergrund der Auseinandersetzung sind einzelne Erfahrungsberichte über eine stark nachlassende Treffsicherheit des G 36 im Fall extremer Temperaturschwankungen. Ein Expertengutachten, welches das Ministerium 2014 in Auftrag gegeben hatte, kam zu dem Schluss, dass die Treffsicherheit des G 36 bei einem Temperaturanstieg von 15 auf 45 Grad auf sieben Prozent sinke. Die Anforderung der Bundeswehr wird vom Ministerium auf eine Treffsicherheit von 90 Prozent beziffert.

Wegen dieser Problematik kündigte Verteidigungsministerin von der Leyen zunächst an, das G 36 vorzeitig auszumustern. Von einer eiligen Ersatzbeschaffung kann mittlerweile aber keine Rede mehr sein. Geplant ist seit längerem, das G 36 zum Ende seiner turnusmäßigen Nutzung zu ersetzen. Die Auswahl des Nachfolgers läuft bereits. 2018 wird wohl die Entscheidung fallen, welches und was für ein Gewehr die neue Standardwaffe der Truppe werden soll. Im Jahr 2020 sollen die ersten dieser neuen Gewehre ausgeliefert werden.

Urteil stützt Position des Klägers „in vollem Umfang“

Auf diesen Auswahlprozess hat das Urteil des Gerichts keine Auswirkungen. Die Kammer betonte in der Pressemitteilung, dass der Bundesrepublik Deutschland als Beklagter keine Mängel-Gewährleistungsansprüche zustehen. Die Richter begründeten ihre Auffassung damit, dass die gelieferten Gewehre nicht von der im Vertrag vereinbarten Beschaffenheit abwichen.

Die Waffen hätten „die in den Lieferbedingungen vorgesehene und zwischen den Parteien vereinbarte Abnahme- beziehungsweise Güteprüfung bestanden“, betonte das Gericht. Damit seien die dem Geschäft zugrunde liegenden Kaufverträge erfüllt. Die erst im Jahr 2014 eingeleiteten Untersuchungen zur Treffsicherheit bei Hitze ist laut Gericht für die vorher abgeschlossenen Verträge unerheblich.

In ihrer Begründung betonten die Richter zudem, dass die Bundeswehr ein konkretes Gewehr erstanden habe. Zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse sei „das G 36 bereits seit rund 18 Jahren bei der Beklagten im Einsatz gewesen“. In diesem Zeitraum habe das Bundesamt für Beschaffung eine hohe Zahl von unterschiedlichen Versionen des Sturmgewehrs gekauft. Die Richter hatten bei der mündlichen Verhandlung im Juni bereits deutlich gemacht, dass sie die Klage für „zulässig und begründet“ hielten.