Im Fall des fingierten Überfalls auf einen Geldtransporter am Drackensteiner Hang vor dem Albabstieg spricht das Landgericht Ulm deftige Strafen gegen fünf Pseudoräuber aus.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm/Kreis Göppingen - Ein gespielter Millionenraub, der tatsächlich ein Diebstahl gewesen ist, kommt vier Männer im Alter zwischen 30 und 39 Jahren teuer zu stehen. Das Landgericht Ulm verurteilte am Donnerstag zwei Geldtransporterfahrer einer Esslinger Firma sowie drei weitere Helfer zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Die Tat, so der Richter Gerd Gugenhan, sei aufsehenerregend und besonders dreist gewesen.

 

Am Abend des 15. Januar war bei der Polizei ein Notruf von einem Autobahnparkplatz am Drackensteiner Hang vor dem Albabstieg eingegangen. Zwei Geldboten gaben an, von Unbekannten überfallen worden zu sein. Sie waren auf der Rückfahrt von einer Uhrenmesse im bayrischen Unterschleißheim zur Esslinger Firmenzentrale. Neun verplombte Säcke voller Luxusuhren mit einem Versicherungswert von knapp fünf Millionen Euro fehlten.

Nicht lange, dann bekamen Fahnder in Berlin einen Tipp, woraufhin 163 der gestohlenen Uhren im ostdeutschen Cottbus sichergestellt wurden. Auch die wahren Täter waren rasch ermittelt: Neben den Fahrern handelt es sich um einen 39-jährigen vorbestraften Mann aus Berlin, einen 40-Jährigen aus Filderstadt im Kreis Esslingen sowie dessen Cousin, der zur Tatzeit Berufssoldat war. Der 39-Jährige und der 40-Jährige kannten sich vom Profi-Skatspiel. Beiden Männern maß das Ulmer Gericht im Urteil den größten Tatbeitrag zu, weil sie die Ursprungsidee entwickelt und den Tatablauf im Detail geplant hätten.

Uhren im Wert von zwei Millionen Euro bleiben verschwunden

Alle Angeklagten hatten im Prozess Geständnisse abgelegt, mit einer Ausnahme: Es soll einen sechsten Dieb aus Berlin gegeben haben, der als Fahrer angeheuert wurde. Dieser Unbekannte soll mit dem Großteil der Beute verschwunden sein. Bis heute fehlen gut 550 Luxusuhren im Schätzwert von gut zwei Millionen Euro. Keiner der Angeklagten wollte den Namen des Unbekannten kennen. Doch während der Untersuchungshaft hat sich das wohl geändert. Nach Information aus Justizkreisen vom Donnerstag hat einer der Fahrer einen Namen genannt. Die Staatsanwaltschaft Ulm, hieß es, habe einen internationalen Haftbefehl erwirkt, bisher noch ohne Erfolg.

Großen Raum in dem mehrtägigen Prozess hatte die Frage nach der Schadenshöhe eingenommen. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hatte Wissenslücken einräumen müssen. Zunächst war von einem Gesamtwert von acht Millionen Euro die Rede gewesen. Doch nachdem ein Teil der Beute gefunden war, stellte sich heraus, dass die Listenangaben über die transportierten Uhren nicht immer mit deren tatsächlichem Wert übereinstimmten. Manche Stücke erwiesen sich als erheblich teurer als vermutet, andere als überteuert, zum Beispiel, weil sie nicht fabrikneu waren, sondern nur ungetragen.

Keine Anhaltspunkte für einen Versicherungsbetrug

Der Richter Gugenhan entschied am Ende, den auf den Packsäcken im Geldtransporter angegebenen Versicherungswert der Diebesbeute für das Strafmaß zugrunde zu legen: 4,9 Millionen Euro. „Dieser Wert lag nach Überzeugung der Kammer auch mindestens vor“, sagte der Richter. Für die geschädigten Uhrenhandelsfirmen, die bei der Unterschleißheimer Messe dabei waren, habe es keinen Grund geben können, überhöhte Wertbeträge anzugeben, da sie sonst höhere Frachtkosten hätten zahlen müssen. Und für einen von langer Hand geplanten Versicherungsbetrug gebe es keine Anhaltspunkte. „Dafür spricht überhaupt nichts“, sagte Gugenhan.

Mit den verhängten Strafen blieb das Gericht deutlich unter den Strafanträgen der Ulmer Staatsanwaltschaft. Sie hatte Gefängnisstrafen zwischen viereinhalb und sieben Jahren gefordert. Doch auch auf den Verteidigerplätzen herrschte spontan keine Zufriedenheit. Die Anwälte dreier Angeklagter hatten Strafen gefordert, die zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil es sich nicht um besonders schweren Diebstahl, sondern lediglich um Unterschlagung gehandelt habe. Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht.

Eine Spitze verteilte der Richter in Richtung der Esslinger Sicherheitsfirma. Nach deren Hausregel müssen Fahrten ab einem Warenwert von drei Millionen Euro von einem zweiten Auto mit bewaffnetem Fahrer begleitet werden. Das sei am 15. Januar schlicht nicht gemacht worden.