Gemeinsam mit mehreren arabischen Staaten attackieren die USA die Kämpfer des „Islamischen Staates“ in Syrien. Obamas Koalition der Willigen ist ein wichtiges politisches Zeichen – dokumentiert aber auch die Schwäche der UN, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Vor zwei Wochen hatte US-Präsident Barack Obama in einer Rede an die amerikanische Nation angekündigt, die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) notfalls auch durch Luftangriffe auf syrischem Staatsgebiet zu bekämpfen. Schneller als erwartet hat er seinen Worten Taten folgen lassen. Die USA haben damit eine weitere Schwelle der militärischen Eskalation im Nahen Osten überschritten – mit schwer wiegenden Konsequenzen.

 

Die Luftschläge belegen die Einschätzung, dass der IS nur erfolgreich bekämpft werden kann, wenn er nicht nur im Irak, sondern auch in dem vom Bürgerkrieg verheerten Syrien attackiert wird. Dort liegen sein Hauptquartier, seine Waffendepots und seine Rückzugsgebiete. Weite Teile des Irak wie Syriens sind de facto Gebiete ohne staatliche Strukturen und Autoritäten – in dieses Vakuum war der IS eingedrungen.

Aber sind die hemmungslos mordenden Islamisten zu vertreiben, ohne dass an ihre Stelle andere bewaffnete Kräfte treten und wieder eine stabile Ordnung herstellen? Können beispielsweise die Kurden und andere Oppositionsgruppen in Syrien diese Aufgabe übernehmen? Die bisherigen Erfahrungen mit den Luftangriffen im Irak stimmen skeptisch. Dort ist zwar ein weiteres Vordringen der IS verhindert worden, aber kein wirkliches Zurückdrängen aus bereits besetzten Städten und Dörfern gelungen. Noch gilt Obamas Wort, dass er keine amerikanischen Bodentruppen entsenden wird. Mit den Angriffen aus der Luft hat sich der US-Präsident jedoch schon viel tiefer als er wollte in diesen Konflikt hineinbegeben. Und bis in die eigenen Führungsränge seiner Militärs wird bezweifelt, dass der IS am Ende ohne ein direktes Eingreifen von US-Soldaten „on the ground“ besiegt werden kann.

Seite an Seite gegen Terroristen

Als großen Erfolg kann Obama verbuchen, dass gleich mehrere arabische Staaten bei der Luft-Attacke auf syrisches Territorium mitgemacht haben. Die militärische Bedeutung dieser Kooperation dürfte eher klein sein im Vergleich mit ihrem politischen Wert. Amerikaner und Araber (im Irak mit den Franzosen dazu noch Europäer) kämpfen Seite an Seite gegen islamistische Terroristen – dieses Signal sollte weit ausstrahlen. Es kann helfen, die ideologische Basis der IS zu untergraben und dessen Sogwirkung auf junge Muslime weltweit zu mindern.

Ganz neue, vorher unvorstellbare Bündnisse formieren sich in diesem Konflikt: ausgerechnet die Regierungen des Iran und der USA, jahrzehntelang durch herzliche Abneigung verbunden, kooperieren stillschweigend beim Kampf gegen den Islamischen Staat. Sunnitisch dominierte arabische Regierungen schicken Soldaten in einen Krieg gegen die sunnitisch beherrschte IS. Mit den Kriegen im Irak und Syrien löst sich mehr auf als das eine oder andere Staatsgebilde. Das gesamte Machtgefüge in dieser Region wankt – und es braucht den Einsatz vieler Kräfte, auch von außen, um ein totales Chaos zu verhindern.

Erneut allerdings hat sich eine „Koalition der Willigen“ zu Militärschlägen verabredet, ohne vorher das Plazet der Vereinten Nationen einzuholen. Der Angriff in Syrien erfolgt ohne völkerrechtliche Autorisierung. Genau in der Woche, in der sich in New York die politischen Führer der Welt treffen, wird noch einmal die Schwäche dieser globalen Organisation und des Völkerrechts unterstrichen.

Und ein zweiter hässlicher Nebeneffekt ist nicht zu übersehen. Die Luftschläge stärken den syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Der Diktator, dessen Sturz einst von der Obama-Regierung als geradezu unvermeidlich und kurz bevorstehend proklamiert wurde, darf sich nun klammheimlich über Schützenhilfe aus Washington freuen. Assad wird versuchen, von der IS aufgegebenes Terrain zu besetzen – und die USA werden, solange sie nur bomben, wenig Mittel haben dies zu verhindern.