Das saß: In Iowa haben ein paar Hunderttausend Menschen gewählt. Danach ist Donald Trump ein Ex-Siegertyp. Und Bernie Sanders ein Parteirebell, der Hillary Clinton ernsthaft zu schaffen macht. Doch der Weg ins Weiße Haus ist noch weit.

Davenport - Als sich der Moment der Wahrheit einstellt, zieht ein verkniffenes Lächeln über das Gesicht von Donald Trump. Die Szene wirkt nicht einmal gestellt. Der Immobilienmilliardär aus New York wirkt authentisch. Die Zahlen sagen deutlich, dass sein Plan nicht ganz aufgegangen ist. Die Anhänger der Republikaner in Bundesstaat Iowa wollen nicht, dass er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Trump erreicht nur 24 Prozent der Stimmen, auf 28 Prozent kommt dagegen ein ärgster Widersacher Ted Cruz.

 

Der 69 Jahre alten Unternehmer Trump muss in diesem Moment einen Albtraum durchleben, der plötzlich wahr wird. Monatelang hat es so ausgesehen, als würde der größte Prahlhans in der jüngeren Geschichte der US-Wahlen einen Durchmarsch machen. Doch ausgerechnet bei der ersten Vorwahl stolpert das selbstverliebte Unterhaltungstalent und kann seine Umfragewerte nicht in Stimmen ummünzen. Das ist mehr als peinlich, das könnte der Anfang vom Ende seines Siegeszugs sein. Doch am Montagabend steht Trump vor seinen Anhängern in einem Hotel in Iowas Hauptstadt Des Moines und sagt: “Wir machen weiter.”

Es ist ein verrückter offizieller Auftakt des Wahlkampfes um die Nachfolge des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama. Trump ist bei den Republikanern von Iowa nur zweite Wahl. Das sagt noch nichts darüber aus, wer nun am Ende des langen Abstimmungsprozesses in allen US-Bundesstaaten der offizielle Präsidentschaftskandidat der jeweiligen Partei wird. Aber die Favoriten Clinton und Trump sind bereits gestrauchelt.

Dämpfer auch für Hillary Clinton

Bei den Demokraten lieferte der linke Parteirebell Bernie Sanders der haushohen Favoriten und Ex-Außenministerin Hillary Clinton praktisch ein totes Rennen. Sanders, der in Iowa mit einem engagierten Wahlkampf vor allem junge Leute mobilisierte, dürfte das Auftrieb im nächsten Vorwahl-Bundesstaat New Hampshire geben, wo er in den Umfragen weit führt.

Hillary Clinton schrammte nur knapp an einer Niederlage vorbei, die sofort die Erinnerungen an 2008 wachgerufen hätte. Nach 99 Prozent der übermittelten Stimmen lag Clinton bei 49,9 Prozent, Sanders bei 49,6 Prozent. Im Jahr 2008 war die frühere First Lady überraschend Barack Obama in Iowa unterlegen. Danach begann der Siegeszug des „Yes, we can“-Wahlkampfes. Die Chancen, dass Clinton es diesmal zur Kandidatur schafft, sind ungleich besser. Es sei denn, ihre E-Mail-Affäre macht ihr weiter zu schaffen.

Am Nachmittag ließ sich Trump noch feiern

Dabei hat sich vor allem Trump noch sehr ins Zeug gelegt. Noch am Montagnachmittag lässt sich der Immobilienmilliardär von seinen Fans feiern wie einen Helden und verkündet laut, er werde die Wahl in Iowa gewinnen. Es scheint wie immer zu sein. Der 69 Jahre alte Unternehmer kann sagen, was er will und wie er es will - die Zuhörer klatschen begeistert, sie johlen, sie scheinen glücklich. Da steht einer, der ihnen eine Zukunft verspricht, in der Amerika wieder gewinnt, wieder geachtet wird in der Welt, wieder etwas zu sagen hat. Da steht einer, der aus den Verängstigten Staaten von Amerika wieder die guten alten Vereinigten Staaten von Amerika machen kann.

Nur wenige Stunden später zeigt sich, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit ein breiter Graben verläuft. Die Vorwahl in Iowa wird, wie schon in der Vergangenheit, zum Stolperstein der in den Umfragen favorisierten Kandidaten.

Der Bundesstaat im Mittleren Westen der USA ist zwar klein und relativ gesehen unwichtig. Doch im amerikanischen Wahlkalender ist Iowa eine feste und vor allem bedeutsame Größe. Es ist der erste Staat, der über den Kandidaten oder die Kandidatin von Republikanern und Demokraten für das wichtigste Amt im Staat entscheidet.

Das geschieht in kleinen Versammlungen von registrierten Wählern. Am Montagabend etwa treffen sich 199 eingetragene Republikaner in der Stadt Davenport in einem schmucklosen Saal, der in einem Nebengebäude des Supermarkts HyVee normalerweise als Veranstaltungsort für Hochzeiten dient. Versammungsleiter Scott Lindholm schwitzt. Es sind deutlich mehr Menschen gekommen als in den Jahren zuvor. Lindholm gehen die Stimmzettel aus. Also lässt er rosa Papier in kleine Rechtecke schneiden und austeilen. Vereinzelt stehen Basis-Republikaner auf und halten Lobesreden auf ihre Wunschkandidaten. Ein junger Mann mit Pickeln im Gesicht sagt, Trump müsse gewählt werden, denn nur er werde Amerika wieder groß machen: “Nur mit ihm gewinnen wir den Krieg gegen den Terror. Amen.”

Junger Senator aus Florida besiegt Trump

Am Ende muss der junge Mann eine Niederlage hinnehmen. Nur 34 Wählerinnen und Wähler im Bezirk 84 von Davenport entscheiden sich für Trump, 40 Stimmen entfallen auf Cruz. Sieger mit 80 Stimmen wird Marco Rubio, der junge Senator aus Florida. Die Parteiführung der US-Republikaner, der inzwischen sowohl der exzentrische Trump als auch der Tea-Party-Liebling Cruz ungeheuer sind, setzt ihre Hoffnungen auf Rubio. Er soll als Vertreter der gemäßigten Mitte den Kampf gegen die Populisten Trump und Cruz aufnehmen. Von Jeb Bush, dem Sohn des 41. US-Präsidenten und Bruder des 43. Präsidenten, spricht niemand mehr. Der frühere Gouverneur von Florida, noch vor Monaten quasi als geborener Präsidentschaftskandidat gehandelt, landet in Iowa weit abgeschlagen auf dem sechsten Platz.

“Man muss in Iowa nicht unbedingt gewinnen, um Präsidentschaftskandidat zu werden. Man muss aber auf jeden Fall auf einem der drei vorderen Plätze landen”, sagt David Yepsen, der mehr als drei Jahrzehnte lang als Reporter für den “Des Moines Register”, die größte Zeitung des Bundesstaates, die Wahlkämpfe in Iowa beobachtet hat. Ein Sieg bei der Vorwahl in Iowa gibt Schwung für die nächsten Vorwahlen, eine schwere Niederlage dagegen nimmt einem Bewerber möglicherweise jede Chance. Cruz hat jetzt Schwung, weil er gewonnen hat. Rubio hat auch Schwung, weil er viel besser als erwartet abgeschnitten hat.

Nur der zweite Sieger ist an diesem Abend eine Art Verlierer. Zumindest muss das Wahlergebnis auf Donald Trump, den Egozentriker mit dem lauten Mundwerk, so wirken. Er hat sich bis zuletzt als ein Nicht-Politiker stilisiert, der die politische Klasse in den USA leicht in die Tasche stecken kann. Es kommt dann doch etwas anders. Das liegt an den Evangelikalen, die in Iowa eine starke Gruppe darstellen. Es sind tief religiöse Republikaner. Donald Trump ist für sie ein Leichtgewicht in Glaubensfragen. Ted Cruz dagegen, der Sohn eines Einwanderers aus Kuba, ist seit Wochen durch den Agrarstaat getingelt und hat gezielt um die Stimmen der Evangelikalen geworben. Mit Erfolg, wie sich zeigt. Als Cruz am Abend vor seine Anhänger tritt, lautet folgerichtig sein erster Satz: “Gott segne Iowa”. Es bricht frenetischer Jubel aus. Im Gegensatz zu Trump lehnt Cruz die Homo-Ehe ab. Er ist auch ein entschiedener Gegner von Abtreibung. Das sind zwei Themen, die in Iowa traditionell die republikanischen Wähler bewegen. Es hat sicher auch nicht geschadet, dass Cruz seit Monaten gegen das sogenannte “Washington-Kartell” von etablierten Politikern, Lobbyisten und Journalisten wettert.

Trumps Mauerbau und Abschiebevorschlag

Trump dagegen scheint es nicht gelungen zu sein, mit seinen Vorschlägen für den Kampf gegen den Terrorismus und gegen Einwanderer zu überzeugen. Der Bauunternehmer will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Er will im Falle eines Wahlsiegs die elf Millionen Latinos abschieben, die sich illegal in den USA aufhalten, und er fordert ein Einreiseverbot für Muslime in die USA, um Terroranschläge zu verhindern.

Zumindest nach außen lässt sich Donald Trump am Montagabend nicht anmerken, ob er sich Sorgen macht, dass er den ersten Test seiner Wählbarkeit versiebt hat. Er gibt sich völlig selbstsicher. Er steht in seinem Hotel in Des Moines, neben sich seine Familie, und er tut so, als sei nichts geschehen. Er sagt sogar, er liebe Iowa so sehr, dass er sich wahrscheinlich eine Farm dort kaufen werde. Jedenfalls werde er der Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaftswahl, sagt der Großsprecher.

Seine Saatmischung aus Hetze und populistischem Wortgeklingel mag in Iowa nicht wie erwartet aufgegangen sein. Doch schon am nächsten Dienstag finden Vorwahlen im Neuengland-Staat New Hampshire statt.

Dort sind die Wählerinnen und Wähler deutlich weniger religiös als in Iowa. Dort führt er in den Umfragen haushoch vor Ted Cruz und Marco Rubio. Noch, muss man sagen. Denn diese Umfragen wurden vor der Wahl in Iowa gemacht.