Laut, künstlich, schrill: Nach Einbruch der Dunkelheit steht Las Vegas für Party, Glücksspiel und Völlerei. Spaß wird aber auch tagsüber großgeschrieben - bei Autorennen, am Schießstand oder beim Flug am Drahtseil.

Las Vegas - Der Helm sitzt. Der Gurt klickt ein. Dann schaut Rudy kurz rüber. Daumen hoch? Ja, Daumen hoch! Es kann losgehen - und kaum hat man ihm das Signal gegeben, steigt er aufs Gaspedal, die Reifen quietschen hysterisch und die Corvette Z-06 beschleunigt, bevor der 30-Jährige die Handbremse zieht und sich der Wagen in einem aufregenden Taumel zwei Mal um die eigene Achse dreht. Das Adrenalin ist in diesem Moment schon in rauen Mengen eingeschossen, obwohl der Wagen jetzt eigentlich erst an der Startlinie steht. Als Rudy für die Rennstrecke kurz darauf freie Bahn hat, drückt er für einen ordentlichen Kick kräftig auf die Tube. Zwei Mal zwei Kilometer ist man als Beifahrer nun dem Bleifuß des ehemaligen Rennfahrers ausgeliefert. Rasante drei Minuten lang hat man bei „Exotics Racing“ am Speedway Boulevard am Stadtrand von Las Vegas das Gefühl, den Stunt für einen Actionfilm zu erleben. Wenn das Sonnenlicht in Las Vegas ein deutlich weniger schmeichelhaftes Licht auf den abends bunt illuminierten Strip wirft, gehört „Exotics Racing“ zu den zahlreichen Möglichkeiten, den Tag in der Entertainmentstadt mit viel Thrill füllen. Dabei handelt es sich um eine Erfahrung, die so etwas wie ein feuchter Traum für PS-Junkies ist, parfümiert mit dem Geruch von Abgasen und verbranntem Gummi und unterlegt mit der Melodie lauthals röhrender Motoren.

 

Für Amerikaner liegt Reiz sicher auch darin, mal nicht an Tempo-Limits zu denken, bei denen man selbst auf den Highways selten schneller als 75 Meilen fahren darf, sondern einfach mal ohne Begrenzung los zu brettern. Alle anderen Besucher, für die 160 Stundenkilometer nicht schon einen Geschwindigkeitsrausch erzeugen, kommen aber wohl vor allem, um nach einer kurzen Schulung eines der unerschwinglichen, schicken PS-Monster einzusteigen. Zwischen 199 und 499 Dollar kosten fünf Runden - je nach Modell, von denen es um die 30 zur Auswahl gibt. Vom Ferrari F430 F1 bis zum Laborghini Aventador. Während der Thrill beim Rennwagenfahren unter anderem durch die Geschwindigkeit erzeugt wird, findet bei „Dig This“ eine radikale Entschleunigung statt.

„Nehmt den Platz auseinander“

Dafür hat Ed Mumm 2005 neben dem Highway am Rande des Strip einen Sandspielplatz für Erwachsene angelegt. Dort kann man sich zwischen zwei Riesenspielzeugen entscheiden: Bagger? Oder doch eher Bulldozer? Insgesamt fünf Männer buddeln heute: drei baggern, zwei bulldozern. Die Frauen, die als Begleitung mitgekommen sind, bleiben als bewundernde Zuschauerinnen am Rand, während manch einer der Teilnehmer an den Hebeln einen verschütteten Jungstraum wieder ausgräbt. Damit alles sicher zugeht, gibt Walt Logan, ein 65-jähriger Ex-Baggerführer, der sein Berufsleben lang auf Baustellen war, über Funk die Kommandos. „Nehmt den Platz auseinander“, sagt der Rentner lachend, nachdem alle in ihrem Arbeitsgerät sitzen. Trotz der exakten Anleitung muss man nicht nur ein Gefühl für die Kraft des Baggers bekommen, sondern auch die Kommandos und Handgriffe über die verschiedenen Hebel koordinieren. Ganz einfach und grundlegend geht es los: vor- und zurückfahren, dann die Schaufel hoch und drehen, alles immer schön brav im eigenen Bereich, um einen Crash zu vermeiden. Als das gut klappt, werden die Herausforderungen größer: Sand mit der Schaufel aufnehmen und an anderer Stelle wieder ausschütten.

Dann alte Riesenreifen aufgabeln und ein Stück weiter transportieren - was auch nicht so schwierig klingt, aber doch Konzentration erfordert, um die Handgriffe richtig zu koordinieren. Und zum Finale steht mit etwas mehr Fingerspitzengefühl eine Runde Bagger-Basketball an, bei der es schließlich sogar noch ein bisschen schweißtreibend wird. Auf der „Guns and Ammo Garage“ nur ein paar Hundert Meter weiter klingt die Aufgabe deutlich weniger komplex. Finger an den Abzug, zielen, abdrücken und dann hoffentlich ins Schwarze treffen. Doch bevor es überhaupt auf den Schießstand geht, müssen noch ein paar Fragen beantwortet werden: Ist man schon mal wegen Gewaltverbrechen verurteilt? Ist man nüchtern? Hat man psychische Probleme?

Jeweils ein Kreuzchen bei Nein genügt, dann werden aus der großen Auswahl die Waffen ausgewählt: Eine Glock-Pistole soll es sein, dann eine Uzi und vielleicht noch eine Überraschung zum Schluss. „Hier kommen Leute von 8 bis 80 her“, sagt Mark Cole, Inhaber und selber Hobbyschütze seit Kindertagen, während ein Paar die Munitionsvorratspackungen, die gerade im Angebot sind, so anschaut, als würden sie im Supermarkt vor der Wursttheke stehen. Dann kommt James Vomund. „Der ist eine Type“, wird er von seinem Boss schulterklopfend angekündigt, kurz bevor die Kopfhörer alle Geräusche und Stimmen extrem abdämpfen und man sich nur lautstark verständigen kann. Blickten im Shop eben noch ein Zombie und das längst erledigte Hyperfeindbild Osama Bin Laden als Comicfigur von Schießscheiben an der Wand, soll auf dem Schießstand nun auf Ringe in einem schwarzen Schatten gezielt werden. Das Herz schlägt bis zum Hals, der Puls rast, als James den Umgang mit der handlichen Glock demonstriert. Also erst einmal durchatmen, dann anlegen, nur nicht nervöser werden, die Haltung etwas korrigieren, wieder konzentrieren - und dann: der erste Schuss! Fast die Mitte, gar nicht so schlecht. Dann der zweite Schuss. Nicht ganz so gut. Dann der dritte, wieder etwas besser. „Wunderbaaar“, sagt James auf Deutsch und mit sardonischem Show-Grinsen, als er die Glock beiseitelegt und mit der Uzi das gleiche Spiel beginnt - nur weniger nervös, aber mit stärkerem Rückstoß.

„Zum Schluss ein Happy-End?“

„Zum Schluss ein Happy-End?“, fragt James danach. Ok, ein Happy-End und das bedeutet in diesem Fall eine blitzschnell rausgepulverte Salve aus einem Maschinengewehr AK74. Cole spricht davon, dass Schießen ein Stressventil ist. Kommt man aber aus einem Land, in dem Waffenbesitz nicht so selbstverständlich ist wie in den USA, ist solch ein Schießstand eine ganz neue, sehr eigene Erfahrung. „Manchmal fangen die Leute beim ersten Mal an zu weinen“, sagt Cole, „dann wenn es rechts und links laut knallt.“ Auch wenn man nicht so extrem emotional darauf reagiert, können einen die Kraft und die Gewalt der Waffen durchaus umhauen. Daher ist es am besten etwas rauszufahren aus der lärmenden Metropole, in die Wüste und an die Luft, um sich den nächsten Adrenalinkick in höheren Lagen abzuholen: bei der „Flightlinez“-Zip-Line in der Nachbarstadt Boulder City. Dort spannen sich über den Red Mountain und insgesamt zweieinhalb Kilometer die dicken Drahtseile, über die es vom Gipfel Stufe für Stufe ein Stückchen tiefer geht. Die zwei Guides, die ihren Job fast schon mit cartoonhaft hyperventilierender Aufgedrehtheit erledigen, weisen immer wieder darauf hin, dass man die Beine spreizen soll, bevor man an die Bremspuffer der nächsten Station saust.

Ansonsten muss man nichts beachten: einfach mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde runter rauschen bis zur nächsten Station, aufgeregt schreien und dabei teilweise sogar eine Aussicht über die karge Wüstenlandschaft bis nach Las Vegas genießen. Dort soll es am Abend erneut einen Adrenalinstoß geben - allerdings noch ein bisschen höher als bei der Zip-Line. In über 300 Metern Höhe auf dem Stratosphere Tower, um genau zu sein. Dort könnte man auch sich einfach mit dem Blick aufs nächtliche Lichtermeer zufrieden geben und doch ist es schwer, der Herausforderung mit den sogenannten Thrill Rides zu widerstehen. Sich in einem größeren Fahrgeschäft ruckartig über den Rand des Turms hinausschießen zu lassen, ist dabei zwar schon heftig. Das wird aber vom „Big Shot“ in Sachen Furchterregungsfaktor noch einmal lässig überboten, bei dem man bei 70 Stundenkilometern noch einmal höher über die Aussichtsplattform hinaus katapultiert wird, um dann im kurzen, freien Fall wieder runterzukommen. Aber sich im „Insanity“ in einer Gondel zu drehen, die an einem Metallarm über den Abgrund reicht? Und dann noch mit Blick in die schwindelerregende Tiefe? Nach so vielen furchtlosen Kicks ist es jetzt wohl Zeit, runter zu kommen - in doppelter Hinsicht.

Infos zu Las Vegas

Anreise
Edelweiss ( www.edelweissair.ch) bietet mittwochs und freitags zwei Nonstop-Flüge ab Zürich nach Las Vegas. Condor ( www.condor.com ) fliegt mehrmals pro Woche nonstop ab Frankfurt am Main.

Unterkunft
Las Vegas hat über 150 000 Hotelbetten, mehr als jede andere US-Destination; Durchschnittspreis pro Nacht: 111 Dollar (81 Euro). Moderne Eleganz aus Glas und Stahl strahlt das „Aria Resort & Casino“ aus. EZ/DZ ab 220 Dollar (ca. 200 Euro); www.aria.com

Im „New York-New York“ erinnert die Fassade an die Skyline des Big Apple, außerdem rast noch eine Achterbahn ums Gebäude. Gepflegte Zimmer, preisgünstiger als vieles andere in der Umgebung. DZ ab ca. 115 Dollar (c. 105 Euro); www.newyorknewyork.com

Aktivitäten und Unternehmungen
Rennwagenfahren mit „Exotics Racing“: Das Beifahrererlebnis mit zwei Runden kostet 99 Dollar (ca. 108 Euro) pro Person. Der Preis für das Selbstfahren richtet sich nach dem Fahrzeugmodell und der Anzahl der Runden. Fünf Runden mit einem Porsche Cayman kosten beispielsweise 199 Dollar (217 Euro). www.exoticsracing.com

Baggern bei „Dig This“: 90 Minuten kosten 249 Dollar (ca. 270 Euro) pro Person. www.digthisvegas.com

Zipline in Boulder City: Einen „Flug“ mit dem „Flightlinez Bootleg“ gibt es ab 159 Dollar (173 Euro) pro Person - inklusive Transfer aus Vegas, www.flightlinezbootleg.com

Schießen in der Gun Garage: unterschiedliche Paket- Optionen, ab 99 Dollar (108 Euro). www.gungarage.com

Thrill-Rides auf dem Stratosphere Tower: www.stratospherehotel.com

Tipp: Entspannen Sie nach den Adrenalinschüben bei einer Yoga-Stunde mit Delfinen in Siegfried and Roy’s Secret Garden; 50 Dollar (ca. 45 Dollar) pro Person, www.mirage.com

Allgemeine Informationen
Las Vegas Convention and Visitors Authority, www.visitlasvegas.de