800 000 Nachfahren illegaler Einwanderer in den USA droht die Ausweisung. Doch Protest kündigt sich an.

Washington - Der Auftritt dauerte keine zehn Minuten und war geprägt von einer bemerkenswerten Kühle. „Guten Morgen“, sagte der amerikanische Justizminister Jeff Sessions, „ich kündige hiermit an, dass das DACA-Programm zurückgezogen wird.“ Im weiteren Verlauf beschränkte sich der rechte Hardliner auf verfassungsrechtliche Ausführungen, bevor er vom Podium abtrat, ohne Fragen zuzulassen. Man hätte glatt verpassen können, dass die Trump-Regierung soeben den Schutz von 800 000 jungen Migranten vor Ausweisung aufgehoben hatte.

 

Tatsächlich stehen mit der Entscheidung nicht nur die Nachfahren meist lateinamerikanischer Einwanderer in den USA vor einer dramatisch ungewissen Zukunft. In dem Land kündigt sich die bislang heftigste gesellschaftspolitische Auseinandersetzung seit der Präsidentschaftswahl an. Mehrere Bundesstaaten wollen gegen Trumps Entscheidung klagen. Seine Partei werde alles tun, „um die Umsetzung dieser furchtbar falschen Anweisung zu verhindern“, kündigte Charles Schumer, der Führer der Demokraten im Senat an. „Das ist eine nicht akzeptable Abkehr von früher gemachten Versprechungen“, kritisierte auch der republikanische Senator John McCain.

Weg in eine legale Existenz ermöglicht

Ex-Präsident Obama hatte 2012 das Programm „Deferred Action for Childhood Arrival“ (DACA) gestartet. Es ermöglicht den Nachfahren illegaler Einwanderer, die vor 2007 in die USA gekommen sind, unter bestimmten Voraussetzungen ein befristetes Aufenthaltsrecht in den USA zu erhalten. Die Migranten müssen zum Zeitpunkt der Einreise jünger als 15 Jahre gewesen und durften 2012 nicht älter als 31 Jahre sein. Sie dürfen keine Vorstrafen haben und müssen eine weiterführende Schule besucht haben. Dann erhalten sie eine zweijährige Aufenthalts-, Arbeits- und Studiererlaubnis, die verlängert werden kann. Knapp 800 000 jungen Migranten wurde so der Weg in eine legale Existenz ermöglicht.

Trump hatte im Wahlkampf eine Beendigung des Ausweisungsschutzes versprochen, zuletzt aber erklärt, er liebe die ehrgeizigen Nachfahren der Einwanderer, die in den USA wegen ihrer Träume von einem besseren Leben „Dreamers“ genannt werden. Ganz gegen seine Art ging er am Dienstag auf Tauchstation und ließ den Hardliner Sessions vor die Presse treten. Der Minister begründete das Aus für das Obama-Dekret vor allem mit rechtlichen Argumenten.

Beendigung des Ausweisungsschutzes

Zehn konservative Bundesstaaten hatten eine Klage dagegen angedroht, der er sich nicht entgegenstellen könne. Trump äußerte sich kurz darauf nur in einer langen Presseerklärung. „Wir müssen daran denken, das auch junge Amerikaner Träume haben“, heißt es dort mit Bezug auf die angebliche Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Zugleich betont Trump, dass keine Aufenthaltserlaubnis vor dem 5. März 2018 auslaufen werde. In der Übergangszeit habe der Kongress die Chance, „eine verantwortliche Einwanderungsreform zu verabschieden, die Jobs für Amerikaner und die amerikanische Sicherheit an erste Stelle setzt“.

Dass sich der Kongress, der schon zu Obamas Zeiten keine gemeinsame Linie fand, in dem halben Jahr auf eine mehrheitsfähige Langfristregelung einigt, gilt in Washington jedoch als extrem unwahrscheinlich. Damit dürfte Trumps Entscheidung faktisch das Aus für den Einwanderer-Schutz bedeuten. Die erteilten Arbeitserlaubnisse würden dann in spätestens zwei Jahren auslaufen.

Kampf für ein modernes Einwanderungsrecht

Vertreter von Migrantenorganisationen warnen vor katastrophalen gesellschaftlichen Folgen. „Diese Menschen sind hier aufgewachsen. Sie arbeiten in fast jedem größeren Unternehmen in Amerika, dienen im Militär und helfen beim Wiederaufbau in Texas“, mahnte Todd Schulte, der Präsident des Verbandes FWD.us, der für ein modernes Einwanderungsrecht kämpft: „Wenn DACA ausgesetzt und nicht durch ein neues Gesetz ersetzt wird, werden sie alle ihre Jobs verlieren, und die Regierung wird mit Massenabschiebungen beginnen.“