Ein Chemieunfall bei der Firma Connect Chemicals löst die höchste Feuerwehralarmierung seit 2011 im Kreis aus. Die Folgen bleiben harmlos, dank den Mitarbeitern, den Einsatzkräften – und dem plötzlich einsetzenden Regen.

Vaihingen/Enz - Es ist 9.20 Uhr. Scheinbar ein ganz normaler Vormittag bei der Firma Connect Chemicals in Vaihingen/Enz. Die Mitarbeiter machen gerade Frühstückspause, als ein Kollege bemerkt, dass er die Kühlanlage eines chemischen Reaktors nicht in den Griff bekommt. „Alle sofort raus!“ – per Lautsprecher alarmiert er die Kollegen. Die schrille Sirene ertönt. Dann der Knall: die überhitzte Glasdistille, gefüllt mit Ameisensäure und Wasserstoffperoxid, geht buchstäblich in die Luft, vergleichbar mit einem Dampfkochtopf, der unter Druck geöffnet wird. Zu diesem Zeitpunkt sind die Mitarbeiter bereits draußen.

 

Rund 700 Liter des chemischen Gemischs füllen den Raum. Dank einer Abluftanlage und einem Sprenklersystem kann das Unternehmen verhindern, dass große Mengen des stark die Atemwege reizenden und Übelkeit verursachenden Gases nach draußen gelangen. Nur wenige Minuten später ist bereits der Gefahrgutzug der Feuerwehr Vaihingen/Enz am Unfallort in der Steinbeisstraße. Die Helfer kennen die Abläufe: erst im Juli gab es auf dem Betriebsgelände eine Übung.

Notfallsystem läuft reibungslos

„Unser Notfallsystem hat reibungslos funktioniert“, sagt Erich Kienle, der bei Connect Chemicals für die Technik zuständig ist. Kurz vor dem Unfall sei er im Keller gewesen und habe nach dem Fehler im Kühlsystem gesucht, auf den ihn der zuständige Mitarbeiter hingewiesen habe. Allerdings sei schnell klar geworden, dass es zu spät sei, um die dafür vorgesehene Ersatzanlage in Betrieb zu nehmen.

Ein Lob erteilt auch der Kreisbrandmeister Andy Dorroch dem Notfallablauf bei Connect Chemicals. „Das hat alles super funktioniert“, sagt der Koordinator des Einsatzes. Die Mitarbeiter seien sofort aus dem Gefahrenbereich gewesen, die Einsatzkräfte hätten sofort Ansprechpartner gehabt. Zur Sicherheit und in Anbetracht der Menge der ausgetretenen Ameisensäure habe er zuvor die höchste Alarmierungsstufe ausgelöst.

Feuerwehr mit Spezialkräften präsent

In dieser Hinsicht sei der Einsatz in Vaihingen der größte im Landkreis seit 2011. 86 Feuerwehrleute mit 20 Fahrzeugen, 20 Sanitäter in acht Fahrzeugen und 15 Polizeibeamte mit sieben Fahrzeugen waren am Einsatzort. Alle beiden Gefahrgutzüge aus Vaihingen und Asperg sowie die Dekontaminationseinheit der Feuerwehr Ludwigsburg halfen, die Unfallfolgen bei Connect Chemicals einzudämmen.

Da das Notfallsystem so gut funktioniert habe, seien die Anwohner in den wenigen hundert Meter entfernten Wohnhäusern nicht gefährdet gewesen, so Dorroch. Vorbeugend habe die Polizei dort geklingelt und die Menschen gebeten, ihre Fenster zu schließen. Die unweit gelegene Waldorfschule sei Dank der Ferien nicht betroffen.

Der Regen hilft den Helfern

Unterstützung erhielt die Feuerwehr von ganz oben. „Es war ein großer Vorteil, dass es angefangen hat zu regnen“, sagt Dorroch, „dadurch wurden die Reste abgewaschen.“ Einen ähnlichen Job erledigten die Wehrleute drinnen im Firmengebäude. Per Schlauch und Wasser wurden die Räumlichkeiten gereinigt. Da das Abwasser ins separate Kanalsystem der Firma laufe, sei das städtische Abwasser nicht beeinträchtigt. Das Wasser mit der gebundenen Ameisensäure wurde danach in Plastikkanister abgefüllt, die die Firma entsorgt.

„Als die Kollegen ins Gebäude gingen, war das erste Obergeschoss komplett vernebelt“, berichtet der Kreisbrandmeister Dorroch. Draußen sei noch ein diffuser, leicht beißender Geruch, der entfernt an frisches Plastik erinnere, wahrnehmbar gewesen. Messungen der Kollegen im Umkreis des Firmensitzes hätten allerdings ergeben, dass keine Gase in die Umgebung des Geländes gelangt seien.

„So etwas haben wir hier noch nie gehabt“, sagt Unternehmenstechniker Erich Kienle. Er sei bereits seit 36 Jahren an diesem Standort tätig und habe auch die Zeiten des Vorgängerunternehmens Agfa miterlebt. Was genau der Kollege in dem kollabierten chemischen Reaktor gerade gefertigt habe, wisse er auf Anhieb nicht. Mitunter gebe es Aufträge unter Geheimhaltung, so seien etwa die Farbpigmente für die ersten 50-Euro-Scheine hier gefertigt worden.