Der Varieté-Neubau beim Theaterhaus wird nicht rechtzeitig bis zur Premiere fertig. Verantwortlich für die Verzögerung ist das Liegenschaftsamt. Der Pächter der Wagenhallen wiederum kritisiert die Sprachlosigkeit der Verwaltung.

Stuttgart - „Das Friedrichsbau-Varieté eröffnet mit einem grandiosen Feuerwerk an Emotionen die neue Spielstätte auf dem Pragsattel.“ So weist das Unterhaltungstheater auf seine für 6. November geplante Premiere mit dem Elvis-Interpreten Ray Martin hin. Das Feuerwerk fällt aber wohl aus, der Termin ist offenbar nicht zu halten, auch wenn Vertriebschef Timo Steinhauer am Montag so tat, alles würde noch gut.

 

Er sagte, der sechswöchige Verzug bei der Freimachung des Geländes, für den das Liegenschaftsamt verantwortlich ist, könne aufgeholt und der Interimsholzbau auf dem Pragsattel doch noch rechtzeitig fertig gestellt werden. In Kürze würde das Fertiggebäude stehen, die Presse dürfe darüber gern schreiben. Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) sagte jedoch auf Anfrage, Finanzbürgermeister Michael Föll und sie seien von Steinhauer und der Geschäftsführerin Gabriele Frenzel über die Verzögerung und die Notwendigkeit, woanders aufzutreten, informiert worden.

Suche nach einer alternativen Premieren-Spielstätte

In der Tat hält die Geschäftsführung nach StZ-Informationen längst nach einer alternativen Spielstätte für die Premierenfeier und die Wochen bis zur Fertigstellung, wohl im Dezember, Ausschau. Schließlich sind bereits Künstler verpflichtet, Plakate gedruckt und Vorbestellungen angenommen worden. Außerdem benötigt das Unternehmen jeden Euro. Im Theaterhaus und in der Sparda-Welt am Hauptbahnhof kommt das Varieté derzeit bereits temporär mit der Absolventen-Show „Artefex“ und dem Show-Event „Visionen“ unter.

Im Dezember hatte Steinhauer noch Grund, der Stadt dankbar zu sein. Der Gemeinderat hatte dem Friedrichsbau-Theater, das nach der Kündigung der angestammten Spielstätte „Rotunde“ durch die landeseigene L-Bank in Existenznot geraten war, einen Investitionszuschuss von bis zu 450 000 Euro genehmigt. Darüber hinaus sichert die Stadt einen Millionenkredit der gemeinnützigen GmbH über eine Ausfallbürgschaft ab, für die ausnahmsweise keine Gebühr verlangt wird. An Erschließungskosten sind 100 000 Euro veranschlagt worden. Dieser Betrag reicht allerdings bei weitem nicht aus, weil sich wegen des Untergrunds Mehrkosten beim Fundament ergeben haben. Das bestätigte Finanzbürgermeister Föll. Auch diesen zusätzlichen Betrag bezahlt die Stadt.

Brandbrief des Wagenhallen-Pächters

Das Unterhaltungstheater ist nicht der einzige von „behördlichem Schwergang“ betroffene Kulturbetrieb. Die Wagenhallen-Gesellschaft, konkret der Pächter Stephan Karle, hat am Montag mit einem Schreiben an die Kultursprecher der Gemeinderatsfraktionen, das der StZ vorliegt, Alarm geschlagen. Er hat die Hoffnung, sich im Rathaus wieder Gehör zu verschaffen. Die Wagenhallen im Nordbahnhof sollten eigentlich im Zuge des Tiefbahnhof-Projekts Stuttgart 21 abgerissen werden, mittlerweile gehört das Gebäude aber zu den angesagtesten und weit über die Landeshauptstadt hinaus bekannten Veranstaltungsstätten.

Um die kulturelle Nutzung langfristig zu sichern, hatte die Verwaltung selbst für die Haushaltsberatungen im vergangenen Dezember rund fünf Millionen Euro Investitionsmittel beantragt, um die Bausubstanz zu sichern. Der Gemeinderat hat diesen Vorschlag abgesegnet. Damit würdigte er das Nutzungskonzept zum Ausbau der von der Gutbrod und Mellmann GbR erfolgreich betriebenen Veranstaltungshalle und zeigte sich von der Aktivierung der großen Halle als Atelierraum überzeugt.

Schweigen der Verwaltung beklagt

Die dadurch erzeugte Aufbruchstimmung habe zur Bildung effektiver Strukturen der Nutzer und des neben Gutbrod und Mellmann aktiven Kunstvereins gesorgt, schreibt Karle. Gleichzeitig mahnt er zur dauerhaften Sicherung der Spielstätte aber „Pragmatismus und Kommunikationsfreude“ in der Verwaltung an. Sieben Monate nach dem Gemeinderatsbeschluss habe allerdings noch kein einziger Gedankenaustausch zwischen Planern und Nutzern stattgefunden. Er bemängelt auch, dass auf einen Projektsteuerer verzichtet werde, der die unterschiedlichen Interessen der vielen Nutzer hätte bündeln und diese mit Architekten, Fachplanern der Stadt und dem Gemeinderat abstimmen können. Nun habe er gehört, dass diese Funktion vom mit der Planung beauftragten Architekturbüro übernommen werde solle. Es fehle also ein Ansprechpartner.

Außerdem hätten die vielen Nutzer noch gar keine Möglichkeit erhalten, ihre Überlegungen zu artikulieren. Zu einem ersten Gespräch sei zwar er, Karle, eingeladen worden, Künstler sollten aber bewusst nicht daran teilnehmen. Ein erster Vor- und Abstimmungstermin sei dann für den 3. Juli zugesagt gewesen, dann aber gestrichen worden, weil die Planung offenbar noch nicht auf dem aktuellen Stand gewesen sei.

Bürgermeister verweist auf komplexe Planung

Am Freitag hatte man Karle informiert, dass auch der für Montag angesetzte Termin ausfallen müsse, weil das Hochbauamt sich noch immer nicht in der Lage sehe, eine Planung zu präsentieren. Nicht einmal einen Zwischenstand gebe es. Karle begründet seinen Hilferuf damit, verhindern zu wollen, „dass eine Planung stattfindet, die sich nicht an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert“. Eine Politik des Gehört-Werdens sehe anders aus, sagt Karle, der auf das Ende seines Pachtvertrags 2015 hinweist. Bis dahin sollten die Arbeiten abgeschlossen sein.

„Das ist nun ja auch keine kleine Halle, sondern eine große mit vielfältigen Nutzungen. So eine Planung dauert eben“, begründet Föll die Verzögerung. Gespräche seien erst sinnvoll, „wenn man auch sprechfähig ist“. Es habe im Vorfeld aber sehr wohl „viele Kontakte mit den Nutzern gegeben, immerhin ist deren Konzept Grundlage für die Sanierungspläne“. Er könne sich an fünf Gespräche mit Karle, Gutbrod, Mellmann und anderen Interessenten in den vergangenen eineinhalb Jahren erinnern. Die Projektsteuerung sei beim Architekten in guten Händen. Er rät den Nutzern, die Kirche im Dorf zu lassen.