Beziehung zwischen katholischer Kirche und den Wissenschaften ist mehr als kompliziert. Jahrhundertelang bekriegte man sich. Ein Kongress im Vatikan über den Urknall und Schwarze Löcher zeugt von einer Zeitenwende. Aber auch von Stolpersteinen.

Rom - Galileo Galilei würde seinen Augen nicht trauen. 1633 stand der italienische Universalgelehrte vor dem kirchlichen Inquisitionsgericht. Er entkam dem Scheiterhaufen nur deshalb, weil er dem von ihm selbst gelehrten Kopernikanischen Weltbild, nach dem die Erde um die Sonne kreist, als Irrlehre abgeschworen hatte. 359 Jahren mussten vergehen, bis die Kirche unter Papst Johannes Paul II. im Jahre 1992 mit Galilei ihren Frieden machte und die Verurteilung widerrief.

 

Was passiert, wenn man in ein Schwarzes Loch fällt?

Heutzutage ist die Situation eine andere: Von Dienstag (9. Mai) bis Freitag (12. Mai) veranstaltet der Vatikan eine Konferenz mit den angesehensten Kosmologen und Physikern zum Thema Urknall und Schwarze Löcher. Wie passt das zusammen?

„Was passiert, wenn Du in ein Schwarzes Loch fällst? Was passierte beim Urknall? Was ist die letztendliche Bestimmung des Universums?“ So lauten die Fragen, die der Kongress diskutieren will. Eingeladen sind dabei keineswegs Kirchenvertreter sondern international renommierte Forscher wie der niederländische Physik-Nobelpreisträger von 1999 Gerard ’t Hooft und der britische Physiker Roger Penrose.

Katholischer Priester entdeckt „Big Bang“

Ausgerechnt ein katholischer Priester war es, der als erster den Urknall des Universums hörte und so den „Big Bang“ entdeckte. Mit der Konferenz würdigt der Vatikan den belgischen Jesuitenpater und Astrophysiker Georges Lemaitre (1894-1966), der als Begründer der Urknall-Theorie gilt.

1927, und damit zwei Jahre vor Edwin Hubble, dem die Theorie heute zugeschrieben wird, veröffentlichte Lemaitre seine Studie über die Expansion des Universums. Ausgehend von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie und der Theorie eines dynamischen Universums des russischen Mathematikers Alexander Alexandrowitsch Friedmann, kam er zu der Erkenntnis, dass sich das Universum nach seiner Entstehung vor rund 14 Milliarden ständig im Raum ausdehnt.

Glaube und Wissenschaft

Die Wissenschaft führt zu Gott

Symbolträchtiger Veranstaltungsort ist die vatikanische Sternwarte in Castel Gandolfo bei Rom, mit der Papst Leo XIII im 19. Jahrhundert den Ruf der Kirche als wissenschaftsfeindlich widerlegen wollte. Daran liegt dem Vatikan heute mehr denn je. Der Direktor der päpstlichen Sternwarte, Guy Consolmagno, erklärt das Ziel der Tagung: „Den Mythos entzaubern, dass die Religion Angst vor der Wissenschaft hat.“ Die Erforschung der Wahrheit führe zu Gott.

Aliens – wo seid ihr?

Dass der Vatikan durchaus Sinn für Humor hat, davon zeugt die Frage auf der Homepage der Sternwarte. Ob der Vatikan im Universum wohl Aliens taufen wolle? „Nein, auch wenn das manche Leute vermuten“, heißt es.

Auch mehrere deutsche Forscher sind bei dem Kongress dabei. „Seit Galilei hat sich die katholische Kirche doch sehr gewandelt und die vatikanische Sternwarte hat sich in der Moderne durch streng wissenschaftliche, astronomische und kosmologische Arbeit ausgezeichnet“, sagt der deutsche Physiker Achim Kempf, der an der University of Waterloo im Bereich Mathematische Physik forscht.

Evolutionslehre? Für die Kirche kein Problem

Nach jahrhundertelangen Kämpfen zwischen Kirche und Forschung bemühte sich der Vatikan in den letzten Jahrzehnten tatsächlich verstärkt um eine Annäherung. Der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gehören Top-Forscher wie der Astrophysiker Stephen Hawking („Gott ist überflüssig“) an, den Papst Franziskus bereits im November 2016 zu einer Audienz empfangen hat.

Die Evolutionstheorie von Charles Darwin über die Entstehung der Arten hält der Kirchenstaat mittlerweile mit dem Glauben an die Schöpfungsgeschichte vereinbar.

Urknall: Kein Widerspruch zum Schöpfungsglauben

Für Aufsehen sorgte die Rede von Papst Franziskus zur Vollversammlung der Päpstlichen Akademie. „Wenn wir im Buch Genesis den Schöpfungsbericht lesen, so riskieren wir, uns vorzustellen, Gott sei ein Magier gewesen mit einem Zauberstab, der alle Dinge verwirklichen kann. Dem ist nicht so“, sagte er im Oktober 2014 in einer Rede. „Der Urknall, den man heute an den Anfang der Welt setzt, steht nicht in Widerspruch zum göttlichen Schöpfungsplan, er verlangt nach ihm. Die Evolution in der Natur steht nicht im Kontrast zum Begriff Schöpfung, denn die Evolution setzt die Erschaffung der Wesen voraus, die sich entwickeln.“

Scharf greift der Kirchenstaat dagegen Atheismus-Thesenwie die des Biologen Richard Dawkins an, der die Evolution für einen Beweis dafür hält, dass es Gott nicht geben kann. Auch Gentechnik und medizinische Entwicklungen wie zum Beispiel künstliche Befruchtung und Pränataldiagnostik sind rote Tücher für den Vatikan.

„Nie wieder ein Fall Galilei“

Doch auch wenn die Wissenschaft mittlerweile für den Vatikan mehr Partner als Gegner sein soll – Kampffelder wird es wohl immer geben. „Trotz aller Bemühungen und positiven Signale muss die Theologie noch einen langen Weg zurücklegen, um die Wissenschaft als eine wahre Herausforderung und Inspiration anzuerkennen und sie in den theologischen Lebenslauf zu integrieren“, heißt es in einem Artikel des Religions- und Wissenschaftsmagazins „Zygon“.

Aber wie der damalige Papst Johannes Paul II. in seiner historischen Galileo-Wiedergutmachungsrede im Oktober 1992 sagte: „Nie wieder ein Fall Galilei.“