Ein Jahr nach der Rehabilitierung ihrer Bischöfe reden Piusbrüder und Vatikan miteinander; es ist "ein Dialog unter Taubstummen".

Rom - Den Stand der Dinge belegen am besten zwei aktuelle Zitate. Er vertraue darauf, sagte Papst Benedikt XVI. vor der Vollversammlung der vatikanischen Glaubenskongregation, "dass jene Probleme der (katholischen) Lehre überwunden werden, die vonseiten der Piusbruderschaft einer vollen Gemeinschaft mit der Kirche im Wege stehen".

Fast gleichzeitig, nach dem Besuch Benedikts XVI. in der Synagoge am vergangenen Sonntag, erklärte die traditionalistische Bruderschaft via Internet: Die Predigt des Papstes im jüdischen Gebetshaus habe keinen Aufruf zur Missionierung der Juden enthalten; damit sei Benedikt "von Grund auf von der Lehre der Apostel Petrus und Paulus abgewichen". Noch klarer kann man es kaum formulieren: Die Piusbruderschaft beschuldigt den Papst der Ketzerei.

"Dialog unter Taubstummen - via Internet"


Und noch einer hat sich zu Wort gemeldet: Richard Williamson, einer der vier Traditionalistenbischöfe, deren Exkommunikation der Papst vor genau einem Jahr aufgehoben hat, der sich aber zeitgleich als notorischer Leugner des Holocaust herausgestellt hat. Williamson sagte ebenfalls per Internet, jedermann glaube, "dass Israel ein rechtmäßiger Staat sei; das muss aber nicht bedeuten, dass er es auch ist". Die Gespräche zwischen seinen Traditionalisten und dem Vatikan seien "ein Dialog unter Taubstummen"; zu einem Ergebnis könnte das Aufeinandertreffen der "zwei Wahrheiten" nur führen, wenn man sich darauf einige, dass "zwei plus zwei ebenso vier wie fünf ergeben" könne.

So also reden sie miteinander. Zum zweiten Mal haben sich die Verhandlungskommissionen von Vatikan und Piusbrüdern am Montag getroffen. Sprach der Vatikan nach der ersten Runde im Oktober 2009 noch von einem "herzlichen, respektvollen und konstruktiven Klima", so überging er schon die Tatsache der zweiten Begegnung mit Schweigen. Man rede, ließ sich der Sekretär der zuständigen Kommission, Guido Pozzo, entlocken, über die bekannten Meinungsunterschiede in Sachen katholischer Lehre: So verweigern sich die Ultrakonservativen dem Dialog mit anderen christlichen Konfessionen und anderen Religionen; sie lehnen die moderne Form der katholischen Messe komplett ab; sie wenden sich gegen Religionsfreiheit und das Ja der Kirche zu einem weltanschaulich neutralen Staat. Grundsätzlich verurteilen sie die "Öffnung zur Welt", die die Kirche mit ihrem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) vorgenommen hat, als einen Verrat an der Tradition und damit als Irrlehre.

"Wiederherstellung der Kirche" wird noch dauern


Ein Zeitplan für die Verhandlungen, vor allem aber ein zeitlicher Horizont für eine mögliche Einigung oder einen erneuten Bruch, ist nicht in Sicht. Erzbischof Bernard Fellay, der Leiter der Piusbruderschaft, sagte einmal, die Gespräche könnten gut ein Jahr dauern; er sagte aber auch, eine Rückkehr und "Wiederherstellung der Kirche" werde mehr als eine Generation dauern, "vielleicht sogar ein Jahrhundert". Fellay meinte natürlich, was die Traditionalisten insgesamt meinen, wenn man sie auf die Verhandlungen mit dem Vatikan anspricht: die "Wiederherstellung" der katholischen Kirche im Sinne der Piusbruderschaft, die für sich in Anspruch nimmt, die einzige katholische Wahrheit zu vertreten.

Das Dekret, mit dem Benedikt XVI. "in einem Akt väterlicher Barmherzigkeit" die vier illegal geweihten Traditionalistenbischöfe in die katholische Kirche zurückholte, hatte vor einem Jahr beträchtlichen Staub aufgewirbelt. Schlagzeilen machten vor allem die Äußerungen des Holocaust-Leugners Richard Williamson, die in jenen drei Tagen weltweit bekannt wurden, die zwischen der päpstlichen Unterzeichnung des Dekrets am 21. Januar 2009 und dessen Veröffentlichung am 24. Januar lagen - ohne dass Rom darauf reagiert hätte.

Schmollbrief aus dem Vatikan


Dem Vatikan hielt man damals vor, er untersuche aufs Peinlichste die Biografie jedes Pfarrers, der zum Weihbischof erhoben werden solle, gehe aber in einem viel entscheidenderen Fall mit Schlamperei oder Absicht vor. Der Verhandlungsbeauftragte, Kardinal Dario Castrillon Hoyos, sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, er habe kurz vor seiner Pensionierung den Papst eines schnellen Friedensschlusses wegen über den Tisch gezogen. Fachtheologen kritisieren, der Papst, der das "Bemühen um die Einheit der Kirche" als Motiv für seinen Gnadenakt angibt, befreie eine Gruppe vom Gehorsam gegenüber beträchtlichen Teilen der katholischen Lehre.

Benedikt XVI. reagierte: Im März schrieb er eine Art "Schmollbrief" an die Bischöfe der Welt, worin er "für mich nicht vorhersehbare Pannen" einräumte, gleichzeitig aber "auch Katholiken, die es besser hätten wissen müssen" für die "sprungbereite Feindseligkeit" tadelte, mit der sie auf ihn "eingeschlagen" hätten. Er unterstellte "Ecclesia Dei", jene für die Verhandlungen mit den Traditionalisten zuständige Kommission, der Glaubensbehörde. Benedikt stellte klar, die Bischöfe der Piusbruderschaft übten "kein rechtmäßiges Amt" in der Kirche aus. Die Traditionalisten reagierten auf ihre Weise: sie weihten Priester, obwohl der Vatikan das als "unrechtmäßig" bezeichnet hatte.