Rund eine Millionen Menschen in Deutschland ernähren sich vegan. Auch auf dem Cannstatter Volksfest in Stuttgart kommt der Trend langsam an: Die ersten Festwirte bieten Speisen ohne tierische Bestandteile an.

Stuttgart - Eine Grundregel für Felicitas Kitali auf dem Cannstatter Volksfest lautet: Wenn das Essen hauptsächlich aus Wasser und Zucker besteht, dann kann sie es bedenkenlos genießen. Gebrannte Nüsse zum Beispiel oder Zuckerwatte. Seit rund einem Jahr lebt die Fachreferentin für Ernährung der Tierrechtsorganisation Peta vegan. Das bedeutet, dass Kitali sich ausschließlich von Lebensmitteln ernährt, die keine tierischen Bestandteile enthalten. Göckele und Haxen hätte sie auch vorher nicht mehr bestellt, denn seit 16 Jahren ist sie Vegetarierin. Für sie ist es in diesem Jahr der erste Besuch auf dem Volksfest als Veganerin.

 

Zwei vegane Gerichte auf der Speisekarte

Sie sucht sich einen Platz im Bierzelt des Festwirtes, der das Fleisch im Namen hat und sich selber als Göckelesmacher bezeichnet: Bei Karl Maier im Festzelt findet sie zur Mittagszeit unter der Woche problemlos einen Platz – und auf der Karte zwei Gerichte, die als vegan ausgezeichnet sind. „Das ist toll“, sagt Felicitas Kitali, während sie sich auf der Speisekarte einen Überblick verschafft. „Die veganen Produkte sind genau ausgezeichnet, auf einen Blick erkennbar und nicht irgendwo hinten versteckt.“ Beim Göckelesmaier bestellt sie Karotten-Ingwer-Suppe und Kräutermaultaschen. Zum Boykott gegen Wirte oder Imbissverkäufer, die Fleischprodukte verkaufen, will sie nicht aufrufen. „Das hat ja keinen Sinn“, sagt die Ernährungsfachfrau. „Wir müssen ihnen eher klar machen, dass die Nachfrage nach veganen Gerichten steigen wird.“

Während sich also im Hintergrund die Göckele an der Stange drehen und der Sitznachbar damit beginnt, sein halbes Hähnchen genussvoll zu sezieren, dampft vor Felizitas Kitali ihr Süppchen. „Riecht schon mal toll nach Ingwer und hat eine super Konsistenz“, lobt sie.

Im vergangenen Jahr hat Karl Maier damit begonnen, vegane Gerichte in seinem Festzelt anzubieten. „Bei einer umfangreichen Speisekarte sollten auch einige Gerichte für Veganer dabei sein“, begründet er seine Entscheidung. Mit nennenswerten Umsätzen rechne er nicht, sagt er, aber: „Ein paar Leute freuen sich darüber.“ Rund 50 vegane Gerichte verkauft er am Tag in seinem Zelt. Freitags und samstags sind es ein paar weniger, sonntags dafür mehr, denn, so Maier: „Da sind dann die Familien unterwegs.“

Auf den Kaiserschmarrn muss die Veganerin verzichten

Während Felicitas Kitali zufrieden die Suppe auslöffelt („Sehr lecker!“), stehen die grünen Maultaschen schon auf dem Tisch. Das vegane Dressing zum Salat kommt extra, die Maultaschen von einem Hersteller aus der Region. Der Ernährungswissenschaftlerin fällt sofort auf, dass sie nicht vom Produzenten aus Ditzingen geliefert wurden: „Die veganen Maultaschen von Bürger sind zwar lecker, aber es ist schön, einfach mal einen alternativen Geschmack angeboten zu bekommen und nicht immer nur von derselben Firma.“ Dass es Convenient Food ist – also Fertiggerichte, die nicht in der Küche vor Ort hergestellt werden – fällt ihr nicht auf, es ist ihr auch egal: „Nur, weil es woanders produziert wurde, ist es doch nicht schlecht.“ Auf den Nachtisch muss sie an dieser Stelle verzichten. Der Kaiserschmarrn wird mit Eiern hergestellt, in der Vanillesoße befindet sich Kuhmilch. Besonders schwer fällt das auf dem Volksfest aber nicht, schließlich gibt es an den zahlreichen süßen Verkaufsständen genug, was sie ohne Reue essen kann.

Laut einer Studie aus dem vergangenen Jahr ernähren sich knapp eine Million Deutsche vegan. Die neue Lebensmittelverordnung habe vieles vereinfacht, sagt Felicitas Kitali, als sie über den Festplatz bummelt und etwas zum Naschen sucht. Viele Schausteller, die Schokofrüchte oder andere Süßigkeiten wie Magenbrot verkaufen, haben Zettel angebracht, an denen die einzelnen Bestandteile genau aufgeführt sind. Eine Banane mit Zartbitter-Schokoladen-Überzug kann die Veganerin genießen, auf Paradiesäpfel muss sie hingegen verzichten: „Der rote Farbstoff, der zum Einfärben der Zuckermasse genutzt wird, enthält meistens tierische Bestandteile.“ Aus demselben Grund lässt sie auch die Lebkuchenherzen liegen: Derselbe Farbstoff ist in der Schriftfarbe vorhanden, die zum Verzieren der Herzen benutzt wird.

Felicitas Kitali sagt, dass sie an vielen Ständen etwas findet, das vegan ist – Pommes zum Beispiel, in den meisten Fällen auch Brezeln. Und auf ihr Bier müsste sie beim Volksfest auch nicht verzichten. Nur beim Schnaps könnte es schwierig werden. Ob der Calvados vegan sei, will sie wissen. „Ich hoffe es“, antwortet der Kellner.