Beim „Erste-Hilfe-Kurs Demenz“ im Stammheimer Luise-Schleppe-Haus haben viele Angehörige Rat gesucht.

Stammheim - Ein „Erste-Hilfe-Kurs Demenz“? Mit ähnlich stabilen Tipps wie etwa Seitenlage, Blutung stillen, Gefahrenzone absichern im Falle eines Unfalls? Der Vergleich hinkt, was Hartwig von Kutzschenbach natürlich weiß. Schon mit dem Film, den er am vergangenen Freitag im voll besetzten Saal des Luise-Schleppe-Hauses zum Einstieg in seinen Vortrag präsentierte, zeigte er: Selbst Fachkräfte von DRK und Polizei können einiges falsch machen, wenn sie auf einen offensichtlich sehr verwirrten Menschen treffen. Mit seiner begrifflichen Anleihe schafft der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes für alte Menschen im Gerontopsychiatrischen Zentrum Nürtingen dennoch einiges: Er entkrampft und signalisiert zugleich , dass es durchaus handfeste Regeln für den Umgang mit Demenzkranken gibt.

 

Dafür aber sei zunächst ein geklärtes Bild der Krankheit nötig, deren Name sich aus dem Lateinischen ableitet. Demens meint den Eindruck, ein verwirrt wirkender Mensch sei „ohne Geist“, und Demenz ist der Überbegriff einer Erkrankung mit verschiedenen Ursachen. Hauptursache in dreiviertel aller Fälle ist die Alzheimer-Erkrankung, der sich Kutzschenbach ausführlich widmete. Etwa mit Hirnschnittbildern, wie sie Alois Alzheimer, Namensgeber der Krankheit, vor über 100 Jahren in deren ersten wissenschaftlichen Beschreibung benutzt hatte. Sie zeigten Eiweißverklumpungen sowie eine beträchtliche Schrumpfung des Organs. Die Ursache dafür ist noch immer unbekannt. So wurde deutlich: Demenz hat nichts mit Verkalkung zu tun, sondern ist eine organische Erkrankung des Gehirns.

Ein langsam fortschreitender Zelltod

Nur in viel selteneren Fällen könnten Depressionen, Alkohol oder unerkannte Wechselwirkungen von Medikamenten „behebbare Ursachen eines Verwirrtheitszustandes“ sein. Im Falle von Alzheimer-Demenz aber gelte: „Es handelt sich hier um langsam fortschreitenden Zelltod. Und was weg ist, ist weg und kommt nicht wieder“, betonte Kutzschenbach, verbunden mit dem Hinweis: „Dies mit Training kompensieren zu wollen, geht nicht. Das bedeutet nur Stress für den Patienten.“

Die Folgen einer Demenzerkrankung seien gravierend, die Symptome zeigten sich meist schleichend und mit stetiger Zunahme: etwa in der Störung von Gedächtnis, Denk-, Lern- und Urteilsfähigkeit, des Orientierungssinns und in der Veränderung des Sprechens. Von außen betrachtet, scheine der Erkrankte „keinen Plan zu haben“, wie der Referent feststellte. Richtiger aber sei die Feststellung: „Er tickt anders.“ Aus diesem Perspektivwechsel erschließe sich ein Umgang mit der Krankheit, wie sie im Kern schon Alois Alzheimer beschrieben habe: „Struktur, Beschäftigung, Zuwendung“.

Demenzkranken brauchen eine sichere Tagesstruktur

Förderlich also sei, Demenzkranken neben Zuwendung eine vertraute Umgebung und eine sichere Tagesstruktur zu bieten, noch vorhandene Fähigkeiten aufzugreifen, soziale Kontakte nicht zu meiden und Bewegung und Betätigung anzuregen. Wichtig sei, „Menschen mit Demenz so zu nehmen, wie sie gerade sind, sie keinesfalls auf ihre Fehler hinzuweisen oder sie zu korrigieren“. Das widerspreche auch der „inneren Logik“ und zeitige „höchstens negative Wirkungen“.

Pflegenden Angehörigen riet Hartwig von Kutzschenbach dringend: „Schützen Sie sie sich vor Überforderung, lassen Sie sich beraten, tauschen Sie sich mit anderen Angehörigen von Menschen mit Demenz aus und nehmen Sie die vielfältigen Angebote für Unterstützung an.“ Wie zahlreich diese Hilfsangebote sind, zeigte ein Dutzend Infostände im Foyer des Luise-Schleppe-Hauses, wo sich der Bedarf nach Information und Beratung auch in regen Gesprächen spiegelte.