Verdeckte Ermittler waren im Heidelberger Studentenmilieu im Einsatz. Aber warum genau? Die betroffenen Gruppen fordern Aufklärung.

Stuttgart - Auf den Schreibtisch des Innenministers Heribert Rech (CDU) dürften dieser Tage auffällig viele Anfragen zum Thema Spionage flattern. Gleich zwei Fälle beschäftigen zurzeit die Landespolitiker. Der britische Spitzel Mark Kennedy soll jahrelang die linke Szene Europas ausspioniert haben, und das auch in Diensten des Bundeskriminalamts. Dabei soll der Brite auf ausdrückliche Bitte auch in drei Bundesländern aktiv gewesen sein, unter anderem in Baden-Württemberg. Inzwischen hat das Innenministerium seinen Einsatz vor und während des Nato-Gipfels in Baden-Baden 2009 bestätigt. Fragen dürfte es dazu dennoch geben.

Erst recht im zweiten Fall, der kurz vor Weihnachten in Heidelberg begann. Auf einem Konzert entdeckt eine Frau einen gewissen Simon, den sie als Polizisten kannte. Derselbe Mann war in linken Hochschulgruppen hingegen als Student bekannt: Die Tarnung des 24-jährigen verdeckten Ermittlers flog auf.

Seither fordern Grüne, SPD und die Betroffenen Antworten von Innenminister und dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg, das den Einsatz angeordnet hatte. Die zentralen Fragen sind: Welches konkrete Ziel wurde verfolgt und welche möglichen Straftaten hatte man dabei im Blick? Was passiert nun mit den erhobenen Daten?

Kritik an Einsatzbereich des Spitzels


Der Einsatz von Simon B. sei nicht willkürlich gewesen und damit rechtens, hieß es aus dem Innenministerium in einer ersten Stellungnahme vom 18.Januar. Die Rechtsgrundlage für den Einsatz bildet dabei die sogenannte "vorbeugende Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung". Diese erlaubt nach dem Polizeigesetz den Einsatz von verdeckten Ermittlern. Nach Auskunft des Innenministeriums liegen bei den beobachteten Personen Anhaltspunkte dafür vor, dass sie künftig Straftaten begehen. Generelles Ziel der Heidelberger Aktion scheint dabei die örtliche Antifaszene gewesen zu sein.

Die Kritik von Opposition und Betroffenen entzündet sich aber an der Tatsache, dass sich Simon B. in den neun Monaten seiner Spitzeltätigkeit in Gruppen aufhielt, die nicht unbedingt als radikal beschrieben werden können. Drei kristallisieren sich dabei heraus. Intensiven Kontakt hatte er insbesonders mit der Hochschulgruppe die Linke.SDS (SDS), der Klima-Aktionsgruppe Heidelberg und der Kritischen Initiative, die sich vor allem mit der Bildungspolitik beschäftigt. Zur Ortsgruppe des BUND und der Grünen Jugend sowie der Antifaschistischen Initiative Heidelberg bestanden lose Kontakte.

"Wir hatten in den Monaten viel zum Castortransport gemacht", sagt Florian Krollmann von der Klima-Aktionsgruppe. Simon B. habe an einigen Treffen der Gruppe teilgenommen. Die betroffenen Heidelberger Kreise würden nun sehr genau beobachten, was bei der Aufklärung passiere. Krollmann nannte es einen Skandal, dass der Ermittler monatelang Gruppen mit fast bürgerlichem Milieu bespitzelt hätte.

"Wir haben ihn dann direkt zur Rede gestellt"


Auch Mathias Richter von der Kritischen Initiative würde gerne wissen, auf welche "Straftaten mit erheblicher Bedeutung" es denn Hinweise gegeben hätte. "Wenn so etwas tatsächlich in unserem Umkreis geplant werden würde, na, dann würden wir das auch gerne wissen", sagt Richter. Aktiv am Bildungsstreik und Anti-Castor-Demonstrationen hatten sie mitgewirkt, radikal seien sie deshalb noch lange nicht.

Jeden Donnerstag treffen sich die Mitglieder der Kritischen Initiative im zentralen Fachschaftsbüro der Universität, auch Simon B. nahm regelmäßig an diesen Treffen teil. Oft sei man gemeinsam noch in Bars unterwegs gewesen, die Frau, die den Ermittler schließlich enttarnte, kannte Leute aus der Initiative. "Wir haben ihn dann direkt zur Rede gestellt", sagt Richter. Simon B. habe zugegeben, Informationen über die Mitglieder weitergegeben zu haben.