Tshamala Schweizer aus Korb ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des Vereins Afrokids International. Dieser leistet Hilfe – auf der Süd- wie der Nordhalbkugel.

Korb - Als Tshamala Schweizer im Jahr 1992 fluchtartig seine Heimat, den Kongo, verlassen musste, wusste der politisch engagierte Student nicht, wo seine Reise enden würde. Er landete in Deutschland. Hier kannte er keine Menschenseele, die deutsche Sprache war ihm ein Rätsel. „Damals war das Wort Willkommenskultur ein Fremdwort“, sagt Tshamala Schweizer im Rückblick, „ich war ganz auf mich allein gestellt und könnte fast ein bisschen neidisch sein auf die Neuankömmlinge von heute.“

 

Trotzdem hätten diese es auch so schon schwer genug, weil sie mit einem fremden Land, einer fremden Kultur und Sprache klar kommen müssten, betont der 54-Jährige, der seit 1998 im Rems-Murr-Kreis lebt und vor zwei Jahren nach Korb gezogen ist. Und so helfen Tshamala Schweizer und seine Mitstreiter vom im Jahr 2009 gegründeten Verein Afrokids International nach Deutschland geflüchteten Menschen, wo sie können. „Ein großes Problem ist, dass die Leute bei den Behörden nicht verstanden werden. Da helfen wir, Konflikte zu bearbeiten, die dadurch entstehen.“

Ohne Sprachkenntnisse geht nichts

Tshamala Schweizer weiß nur zu gut, welche Folgen mangelnde Sprachkenntnisse haben können. An seinem ersten Wohnort im Raum Göppingen habe ihn ein netter schwäbischer Nachbarn mit den Worten „Grüß Gott“ begrüßt, erzählt Schweizer. Er, der damals keinen Anspruch auf einen Sprachkurs und quasi keine Deutschkenntnisse hatte, habe darauf mit „Scheiße“ geantwortet: „Ich dachte, das sei eine Begrüßung.“ Der Nachbar war zornig und sprach fortan nicht mehr mit dem Zugezogenen, der wiederum den Nachbarn des Rassismus verdächtigte.

Die Sache aber ließ Tshamala Schweizer keine Ruhe, er machte sich auf die Suche nach einer Bibliothek und einem Wörterbuch, schlug den Begriff nach – und war entsetzt. „Ich habe ein Schild gemalt und ,Entschuldigung’ darauf geschrieben, allerdings falsch“, sagt Schweizer und lacht. Für ihn stand fest, Deutschkurs hin oder her: „Ich muss die Sprache lernen.“

Sprache sei wichtig, sagt Schweizer, der als ehrenamtlicher Geschäftsführer von Afrokids International fungiert, „aber oft wird erwartet, dass die Leute so perfekt Deutsch sprechen, als wären sie hier geboren“. Das könne nicht klappen, meint Schweizer. Er will mit seinem Verein gewissermaßen Entwicklungshilfe in zwei Richtungen leisten: Menschen in Afrika zu Bildung verhelfen, aber auch hierzulande, denn „auch die Deutschen brauchen Bildung, um andere besser zu verstehen“. Zu diesem Zweck geht Schweizer immer wieder in Schulen und berichtet dort über die Arbeit von Afrokids International.

Krisen, Kriege, Katastrophen

Von staatlicher Entwicklungshilfe hingegen hält Tshamala Schweizer nicht viel. Diese unterstütze vor allem die europäische Wirtschaft und viel zu wenig Geld komme beim Volk selbst an. Stattdessen werde so mancher Euro in militärische Güter investiert. Ein Teufelskreis von Krisen, Kriegen, Katastrophen.

Ein besonderes Anliegen ist es Tshamala Schweizer, Kindersoldaten in seiner Heimat zu helfen. Warum? „Weil ich selbst mal einer war“, sagt Schweizer. Er habe lange gebraucht, bis er darüber habe sprechen können. Zwölf Jahre sei er alt gewesen, als er beim Fußballspielen mit Freunden von Fremden angesprochen wurde. Sie köderten die Jungs mit dem Versprechen, sie zu einem tollen Bolzplatz zu bringen. Tatsächlich waren Tshamala Schweizer und seine Freunde an Menschenhändler geraten, die sie als Söldner verkauften.

Nach rund zwei Jahren gelang es Schweizer zu fliehen. Dank der Hilfe seiner Großeltern konnte er auf einem Internat die verpasste Schulzeit nachholen. Er lernte den Beruf des Elektrikers und begann, Politik zu studieren. Sein Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit zwang ihn dann mitten im Examen, seine Heimat Hals über Kopf zu verlassen. In Deutschland hat er sich zunächst als Helfer durchgeschlagen, es dann mittels Fortbildungen bis zum Automatentechniker gebracht. „Viele Leute wissen nicht, was ihr Potenzial ist“, sagt Tshamala Schweizer, der das ändern will.

Er kämpft dafür, dass Afrokids International jedes Jahr zwei bis drei ehemaligen Kindersoldaten, manchmal auch mehr, eine neue Perspektive geben kann. Sie bekommen psychologische Hilfe und werden zu „Friedensmanagern“ umgeschult. Denn, so sagt Tshamala Schweizer, „wir vom Verein wollen, dass Frieden ist in der Welt und nicht nur auf dem Papier.“

Workshops und Vorträge

Verein
Die Geschichte des Vereins Afrokids International begann im Jahr 1993 als Initiative, die sich als sozialer Dienst für Menschen, die abgeschoben wurden, verstand. Das Ziel war es, ihnen zurück in der Heimat eine Starthilfe zu geben. Seit 2009 ist Afrokids International ein eingetragener Verein. Tshamala Schweizer ist sein ehrenamtlicher Geschäftsführer.

Bildung
Der Verein will Bildungschancen geben, auf der Nord- wie der Südhalbkugel. In Deutschland organisiert er zum Beispiel Vorträge und Workshops zum Thema Migration, Flucht und friedliches Zusammenleben. Tshamala Schweizer spricht außerdem vor Schulklassen über seine Heimat und das Schicksal von Kindersoldaten. In Afrika unterstützt Afrokids International ehemalige Kindersoldaten: Sie bekommen psychologische Hilfe und können sich zu „Friedensmanagern“ umschulen lassen. Zudem engagiert sich der Verein in einem Waisenhaus vor Ort.

Termin
Am Samstag, 10. Dezember, geht es bei einem Workshop im Mütterzentrum in Stuttgart um Gerichte und Geschichten aus aller Welt. Von 11 bis 16 Uhr wird gekocht und erzählt. Anmeldung: info @afrokids-international.org.

Gesucht
Der Verein sucht für seine Aktivitäten dringend ein kleines Büro, am besten im Raum Waiblingen.