Am Wochenende hat der Verein myself sein zehnjähriges Bestehen gefeiert.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Weilimdorf - Wer seinen Job verliert, der fällt meistens in ein großes Loch. Claudia Heß-Kreten, die Vorsitzende des Vereins myself, hat dieses Loch selbst erlebt, als sie vor einigen Jahren arbeitslos wurde. „Da leidet das Selbstwertgefühl. Ich habe mir nichts mehr zugetraut“, erzählt sie im Rückblick. Unzählige Absagen auf Bewerbungsschreiben nagten an ihr. Ihre Rettung: Die Agentur für Arbeit machte sie auf myself aufmerksam. „Das war das Beste, was mir passieren konnte“, ist sich Heß-Kreten sicher. „Ich wurde hier mit offenen Armen empfangen. Der Umgang ist sehr vertrauensvoll, und die Hilfe wird einem nicht aufgedrängt.“

 

In dem Verein, der mit ganzem Titel „myself e. V. zur gegenseitigen Förderung am Arbeitsmarkt“ heißt, sind aber nicht nur arbeitslose Mitglieder. Ein Teil von ihnen hat bereits wieder eine Stelle gefunden, hilft aber dennoch den anderen dabei, mit der Situation klar zu kommen oder geben Bescheid, wenn sie von offenen Stellen hören. Der Ursprung des Vereins liegt noch weiter als zehn Jahre zurück, als etwa 800 Alcatel-Mitarbeiter gekündigt und für zwei Jahre in einer Transfergesellschaft beschäftigt wurden. „Am Ende der zwei Jahre waren mehrere Hundert Leute immer noch arbeitslos. Da haben wir gesagt, wenn wir jetzt auseinandergehen, geraten wir in die Vereinzelung“, sagt Udo Reckemeyer, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit bei myself kümmert. Und so gründeten 33 ehemalige Alcatel-Mitarbeiter im Jahr 2004 den Verein myself mit Sitz im Weilimdorfer Gewerbegebiet. Schnell wuchs die Mitgliederzahl auf 400, diese Zahl blieb bis heute konstant. „Zu uns kommen inzwischen auch andere Berufsgruppen, unterschiedliche Bildungsgrade und jedes Alter“, sagt Reckemeyer. „Wir sind offen für alle.“

Hilfe zur Selbsthilfe

Das große Potenzial sei das umfangreiche Know-how, das die Mitglieder in den Verein mitbrächten. In 20 verschiedenen Kleingruppen kann sich jeder einbringen oder sogar selbst einen Kurs leiten. Grundlage für neue Mitglieder ist die Gruppe „Neuorientierung“. Dort geht es darum, Arbeitslosen ohne Perspektive neue Perspektiven aufzuzeigen. „Und zwar nicht nur in dem Bereich, aus dem sie ohnehin kommen, sondern wir schauen auch nach ganz neuen Neigungen“, erklärt Reckemeyer. „Man sollte nicht nur verbissen in eine Richtung schauen, sondern einen freieren Blick bekommen“, ergänzt Heß-Kreten. Dies könne die Agentur für Arbeit nicht leisten. „Und das Schöne ist, bei uns wird kein Druck aufgebaut.“

Eine andere Arbeitsgruppe kümmert sich um soziale Themen wie Altersarmut. Eine PC-Gruppe hilft bei Fragen am Computer, andere begleiten Mitglieder zu Ämtern. „Man fühlt sich einfach stärker, wenn jemand dabei ist“, weiß Heß-Kreten. Andere Mitglieder kennen sich besonders gut bei Fragen zu Hartz IV aus und vermitteln das Wissen weiter. Ein Psychologe hilft in der Krisenberatung jenen Menschen, die völlig am Boden zerstört sind. Und natürlich, betont Udo Reckemeyer, dürfe auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Jeden Monat kann man sich beim sogenannten Plauderabend zwanglos unterhalten, außerdem gibt es einmal im Jahr ein Grillfest oder Ausflüge. Auch drei Regionalgruppen in Pforzheim, Leonberg und Ludwigsburg unternehmen gemeinsam verschiedene Aktivitäten. „Für viele ist der Verein eine neue soziale Heimat geworden“, sagt Heß-Kreten.