Die Sozialberatung Stuttgart kümmert sich um die Wiedereingliederung von Haftentlassenen und von straffällig gewordenen Menschen. Denn auf dem Wohnungsmarkt wie auch auf dem Arbeitsmarkt sind straffällig gewordene Menschen alles andere als eine beliebte Zielgruppe.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Warum jemand im Gefängnis gelandet ist, spielt für Eberhard Müller und seine rund 30 Mitarbeiter erst einmal keine Rolle. Wer in einem Rechtsstaat eine Straftat begeht, wird bestraft, unter Umständen sogar mit Gefängnis. Danach ist die Tat – zumindest vor dem Gesetz – abgehakt. „Dann hat jeder eine zweite Chance verdient“, sagt Müller, der geschäftsführende Vorstand des Vereins Sozialberatung Stuttgart. Das sei auch das Schöne an einer Demokratie: „Man ist nicht für immer abgestempelt.“

 

Das ist zumindest das juristische Ideal. Die gesellschaftliche Realität sieht oft ganz anders aus. Wer im Gefängnis war, tut sich in der Regel schwer, in Freiheit wieder Anschluss zu finden. Auf dem Wohnungsmarkt wie auch auf dem Arbeitsmarkt sind straffällig gewordene Menschen alles andere als eine beliebte Zielgruppe.

Der Verein konzentriert sich auf Hilfe im Wohnungsnotfall

Diese Sichtweise in der Gesellschaft zu verändern, hat sich die Sozialberatung Stuttgart zum Ziel gesetzt. Doch davor erledigen die Sozialpädagogen harte Basisarbeit. Sie unterstützen ihre Klienten bei den ersten Schritten zurück in die Freiheit. Spezialisiert hat sich der Verein auf Wohnungsnotfallhilfe. Der erste Kontakt findet deshalb bereits in der Haftanstalt statt. „Immer dienstags schwärmen unsere Mitarbeiter aus“, sagt Eberhard Müller. Dann sind sie in den Gefängnissen in Stammheim, Heimsheim oder Schwäbisch Gmünd unterwegs und beraten Häftlinge, die bald entlassen werden.

Wichtig ist, so Müller, dem Strafgefangenen schon vor Ende seiner Zeit in Haft eine Perspektive zu bieten. „Viele fallen sonst in das Entlassungsloch“, sagt er. Nach mehreren Jahren hinter Gittern ist die plötzliche Freiheit für viele allein nicht zu bewältigen.

Rund 80 betreute Wohnplätze hat der Verein in seinem Bestand. Wer aus Stuttgart kommt, erhält auf jeden Fall zumindest eine Wohnperspektive und den Kontakt zum Jobcenter. „Das ist der erste Einstieg ins Hilfenetz“, so Müller. Und damit auch ein erster Schritt in Hinblick selbstständiges Leben. Viele schaffen dies mit Hilfe des Vereins. „Manche schaffen es sogar ohne uns, aber ein ziemlich großer Teil rutscht eher wieder ab“, so seine Erfahrung. Seit zehn Jahren ist Müller Geschäftsführer, davor war der Sozialpädagoge in der Bewährungshilfe tätig.

Die Arbeit mit Randgruppen beschäftigt ihn schon seit seinem Studium, er hält sie nach wie vor für wichtig. Für diese Menschen sei es von unschätzbarem Wert, eine Lebensperspektive zu erhalten.

Die Arbeit des Vereins wird häufig kritisch betrachtet

Die Arbeit des Vereins wird aber nicht überall geschätzt. Spendengelder zu bekommen, ist schwer. „Viele denken, die Menschen seien selbst schuld an ihrem Schicksal“, sagt Müller. Immer wieder vorgeworfen wird dem Verein auch, dass er Täter unterstütze. Und diese sind nicht nur Kleinkriminelle, sondern eben auch Mörder oder Vergewaltiger. „Egal, was jemand gemacht hat, die Tat an sich finden wir auch nicht gut“, betont Müller und weist zugleich auf den Mehrwert der Vereinsarbeit für die Gesellschaft hin. Denn wer schnell eine Lebensperspektive hat und von einem sozialen Netz aufgefangen wird, fällt seltener ins kriminelle Milieu zurück.

Deshalb bietet der Verein vor allem für Gewaltverbrecher Antiaggressions- und Coolness-Trainings an sowie Seminare in konfrontativer Pädagogik. Die meisten werden vom Staatsanwalt zu den Kursen geschickt. In der Einzelberatung oder in Gruppenkursen müssen sich die Täter mit ihrem eigenen Verhalten beschäftigen und sollen zudem neue Verhaltensmuster erlernen. Wie erfolgreich die Trainings sind, kann Müller nicht anhand konkreter Zahlen benennen, doch der Verein bekomme viele positive persönliche Rückmeldungen.