Am 25. April 1952 wurde aus Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern das neue Bundesland Baden-Württemberg. Seitdem haben sich viele Institutionen zusammengeschlossen, aber so mancher Verein und Verband pflegt nach wie vor seine Eigenheiten – und das soll auch so bleiben.

Stuttgart - Wie es um das Verhältnis von Badenern und Württembergern nach 65 Ehejahren steht, lässt sich für Außenstehende nicht leicht erkennen. Wie denn auch? Die Partner sind ja oft selbst hin- und hergerissen zwischen „vertrauensvoll“ und „herzlich abgeneigt“ – je nach Situation und Stimmung. Vor allem die Badener – und hier besonders die Karlsruher – zeigen sich wetterwendisch. Zwar geht ihnen das „Badewirddeberg“ so leicht von den Lippen, dass man den Bindestrich dazwischen nicht mehr erkennt. Doch sobald es gesellig wird, erwecken sie den Eindruck von wilden Separatisten.

 

„Fusionen passieren immer aus einer Notlage“, sagt Thomas Schnabel, der Chef des Hauses der Geschichte in Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Der Alltag ist weitaus nüchterner. Trotz aller Abgrenzungsfolklore haben sich beide Partner ganz gut eingerichtet zwischen Mainau und Main und genießen die Vorzüge eines erfolgreichen Bundeslandes. „Das ist inzwischen wie bei einer guten Vernunftehe: Die Emotionen halten sich in Grenzen, doch es gibt jede Menge sachlicher Gründe, dass man beisammenbleibt“, sagt Thomas Schnabel, der Chef des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg. Politik und Verwaltung haben die alten Grenzen längst hinter sich gelassen, für die Wirtschaft spielten sie noch nie eine Rolle.

Dass das Land der Tüftler so reibungslos funktioniert, ist angesichts der turbulenten Anfangsjahre (zweimal rief man die Badener zur Abstimmung) keineswegs selbstverständlich. Aus 3 mach 1: Das ging nicht über Nacht. Viele Einrichtungen existierten über Jahrzehnte hinweg doppelt, oft sogar dreifach: von den Landesbanken über die Energieversorger bis hin zu den Münzstätten, von den Bauernverbänden über die Versicherungsanstalten bis zu den Wohlfahrtsverbänden. Und das mit einer grotesken Trennlinie, die sich die Besatzungsmächte ausgedacht hatten: entlang der Autobahn 8 von Karlsruhe nach Ulm.

Erwin Teufel wurde zum „großen Fusionator“

Aber wie das so ist mit Provisorien – man richtet sich darin ein. Von sich aus kamen jedenfalls weder Banken noch Behörden auf die Idee, die Fusion des Landes in ihrem Bereich nachzuvollziehen. „Irgendjemand hat immer etwas zu verlieren, zum Beispiel einen Posten“, beschreibt Schnabel die Mechanik.

So hat sich selbst ein Turbopolitiker wie Lothar Späth daran verhoben, die Rundfunkanstalten SDR und SWF zum SWR zu verschmelzen oder die Landesbanken. Erst sein Nachfolger Erwin Teufel ging als „großer Fusionator“ in die Landesgeschichte ein, weil er die Gunst der Stunde (oder einfach eine Vakanz auf dem Chefposten) nutzte und zahlreiche Einrichtungen fusionierte: zum Beispiel die Energieversorger EVS und Badenwerk zur EnBW oder die Gebäudebrandversicherungen. Damit verfolgte er nicht nur das Ziel, Geld zu sparen, sondern auch, die Landesidentität zu fördern.

Außerhalb des politischen Einflussbereichs haben sich die alten Strukturen allerdings bis heute erhalten: beim Roten Kreuz ebenso wie bei den Bauern, bei den Kirchen ebenso wie im Sport. „Seid ihr wieder mit dem Bus da?“, werden bisweilen die Vertreter der drei verschiedenen Sportbünde in Württemberg, Nord- und Südbaden gefragt, wenn sie zu Veranstaltungen auf Bundesebene anreisen. Der Landessportverband als Dachorganisation fährt auch noch mit.

Die Sportler wollen sich bis 2020 verbandeln

Doch hier kommt etwas in Bewegung. So verhandeln seit Monaten die Tischtennisverbände in Württemberg-Hohenzollern, Baden und Südbaden über eine Fusion. „Die Zeit ist reif“, sagt der Chef des württembergischen Verbands, Rainer Franke. Auch seine Kollegen sprechen davon, Kräfte zu bündeln und Synergien zu heben, um so mit dem gesellschaftlichen Wandel besser Schritt halten zu können. Spätestens 2020 wollen die Verbände so weit sein – und insgeheim hoffen sie darauf, damit einen Dominoeffekt auszulösen, denn die meisten anderen Sportarten marschieren ebenfalls noch getrennt.

Dass die historisch gewachsenen Strukturen überall geschleift werden, ist jedoch nicht zu erwarten, zumindest nicht so schnell. Die Evangelischen Landeskirchen in Baden und in Württemberg gingen frühestens am Jüngsten Tag zusammen, hat der frühere badische Landesbischof Ulrich Fischer einmal angekündigt – mit dem Zusatz: „Und auch dann erst am Nachmittag.“ Geschichte, theologische Ausrichtung und Bekenntnisstruktur der beiden Landeskirchen seien so verschieden, dass eine Fusion kaum vorstellbar sei, heißt es etwa bei den Württembergern. Hinzu komme eine andere Organisationsstruktur: hüben die Direktwahl der Synode, drüben die Wahl aus der Mitte der Kirchengemeinderäte.

Man will sich die Trennung auch leisten

Die Liste der Unterschiede will gar nicht enden, so dass man geneigt ist zu glauben, es handele sich um zwei verschiedene Religionen. In Norddeutschland, wo sich vor fünf Jahren gleich drei evangelisch-lutherische Kirchen zusammengeschlossen haben, sah man über solche Unterschiede großzügiger hinweg. Der wirtschaftliche Leidensdruck war dabei hilfreich. Soll heißen: Solange es sich die Badener und die Württemberger leisten können, bleiben sie fein säuberlich getrennt. Das gilt im Übrigen auch für die Katholiken mit ihren beiden Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Freiburg.

Auch die Bauern im Land ignorieren den Bindestrich. „Eine Fusion ist bei uns kein Thema“, sagt Werner Räpple, der Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV), der die Interessen der südbadischen Bauern, Winzer und Forstwirte vertritt. Man pflege zwar gute Kontakte zum großen Bruder in Stuttgart, dem Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV), aber die Mitglieder im Schwarzwald und in der Rheinebene schätzten einfach die räumliche Nähe zu ihren Verbandsvertretern. Räpple: „Stuttgart ist einfach weit weg.“

Auch die Landwirte müssen sich ihre Unterschiede leisten können. „Fusionen passieren immer aus einer Notlage“, sagt Thomas Schnabel vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Vielleicht komme ja mal die Zeit, da den Kirchen und anderen Organisationen gar keine andere Wahl mehr bleibe, als zu fusionieren. Einen Wert an sich sieht Schnabel darin allerdings nicht. Warum auch? Vielfalt und Dezentralität sei doch gerade die Stärke des Landes, sagt der Historiker. „Fusionen sollte man dort machen, wo sie notwendig sind, aber nicht mit der Brechstange.“