Die Türken auf der geteilten Insel haben einen neuen Chef gewählt. Mustafa Akinci gilt als gemäßigt. Doch der Schlüssel für eine mögliche Wiedervereinigung liegt in Ankara. Präsident Erdogan ist mit dem Neuen nicht völlig zufrieden.

Nikosia - Sein Emblem im Wahlkampf war ein Olivenzweig, das Symbol des Friedens. Die Kampagne hatte Erfolg: Mit rund 60 Prozent wählten die türkischen Zyprer vergangene Woche Mustafa Akinci zum neuen Präsidenten der „Türkischen Republik Nordzypern“ (KKTC) und damit zu ihrem Volksgruppenführer. Mit der Wahl des 67-jährigen Linksliberalen kommt nun neue Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der von ethnischen Griechen und Türken besiedelten Insel, die seit dem Jahr 1974 geteilt ist.

 

Akinci ist überzeugt, dass er „die Friedensgespräche zum Abschluss bringen kann“. Auch Nikos Anastasiades, der Präsident der Republik Zypern im griechischen Inselsüden, gilt als Befürworter einer Wiedervereinigung. Der Schlüssel zu einer Zypernlösung liegt allerdings in der Türkei, die in Nordzypern eine Besatzungsarmee von mehr als 30 000 Soldaten unterhält. Mit Spannung blickt man deshalb in beiden Teilen Zyperns auf den Antrittsbesuch, zu dem Akinci an diesem Mittwoch nach Ankara fliegt. Misstöne gab es schon gleich nach der Wahl. In einem Interview sagte Akinci, er wünsche sich mit der Türkei eine Beziehung, die mehr wie das Verhältnis zwischen Geschwistern sei und nicht wie das zwischen Eltern und einem unmündigen Kind.

Erdogan rügt den neuen Mann

Damit handelte er sich eine scharfe Rüge des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ein: Akinci solle „aufpassen, was er sagt“, mahnte Erdogan. Tatsächlich kann von Gleichberechtigung zwischen Nordzypern und Ankara keine Rede sein, auch wenn die Türkei das einzige Land ist, das die ansonsten weltweit geächtete KKTC diplomatisch anerkennt. Finanziell hängt Nordzypern am Tropf der Türkei. Daran wird Erdogan seinen zyprischen Gast bei dessen Besuch wohl erinnern. Begleitet wird Akinci nach Ankara von Özdil Nami. Er war bisher Außenminister Nordzyperns und wurde nun von Akinci zum Verhandlungsführer in den geplanten Wiedervereinigungsgesprächen mit den Inselgriechen ernannt.

Einen besseren Mann für diese Aufgabe könnte man sich kaum vorstellen. Der 1967 in London geborene Nami ist für die Verhältnisse Zyperns, wo meist die alte Garde das Sagen hat, ein Politiker neuen Typs: Absolvent der Universität Berkeley in Kalifornien, ein Mann ohne Scheuklappen, weltläufig. Wer sich mit Nami über das Zypernproblem unterhält, hört immer wieder zwei Worte: Realismus und Vernunft. Daran fehlte es meist in den bisherigen Wiedervereinigungsgesprächen.

Dinner an der Demarkationslinie

Am kommenden Montag wollen sich Akinci und Anastasiades treffen, bei einem Dinner im Hauptquartier der UN-Friedenstruppe, dem früheren Hotel Ledra Palace an der Demarkationslinie. Hinter den Kulissen diskutiert man bereits vertrauensbildende Maßnahmen: Akinci will den Badeort Varosha unter Aufsicht der UN wieder öffnen – seit der türkischen Invasion ist die einstige Urlauberhochburg eine Geisterstadt. Die Republik Zypern könnte im Gegenzug direkten Charterflügen nach Nordzypern zustimmen und so die Isolation der türkischen Zyprer lockern. Aber alles wird davon abhängen, ob Akinci in Ankara Verbündete für seine Politik gewinnt.

Eigentlich sollte er die Wahl gar nicht gewinnen. Erdogans Favorit war der bisherige Präsident Dervis Eroglu, ein nationalistischer Hardliner. Zumindest bis zur türkischen Parlamentswahl Anfang Juni kann Akinci kaum Unterstützung aus Ankara erwarten, denn die islamisch-konservative Regierung will der Opposition keine Munition liefern. Während ihm Erdogan die kalte Schulter zeigt, erfährt Akinci jedoch von den USA Unterstützung.