Der Fall eines 39-Jährigen, der seinen Vermieter erstochen hat, wird am Landgericht Stuttgart verhandelt: Der Mann soll in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden. Er ist psychisch krank und leidet noch immer unter Panikattacken.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - In seiner Vorstellung war der 74-Jährige „ein Anführer von Nazis oder himmlischer Heerscharen“, der ihm und seinen Kindern nach dem Leben getrachtet habe. So hatte es der Beschuldigte am Tag nach der Tat dem Haftrichter erklärt. Mit bis zu 50 Messerstichen tötete der 39-Jährige am 28. Januar seinen Vermieter im Böblinger Murkenbachweg. Wegen Totschlags ist er nun am Stuttgarter Landgericht angeklagt: Der Mann gilt als unzurechnungsfähig und soll in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden. Laut dem Staatsanwalt leidet er seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie und Depressionen. „Mir tut es absolut leid, und ich bereue, was ich gemacht habe“, sagte der 39-Jährige beim Prozessauftakt. Weitere Angaben will er nicht machen.

 

Trotz Medikamenten weiterhin Panikattacken

Mit Handschellen und Fußfesseln sitzt der Beschuldigte im Gerichtssaal. Sie sollen ihn vor sich selbst schützen. Weil er trotz Medikamenten weiterhin Panikattacken hat, gilt er als unberechenbar. „Der Angeklagte hat immer noch sehr große Angst um seine Kinder, und dass diese Gruppierung wieder aktiv wird“, erklärte sein Anwalt vor Gericht. Deshalb wolle er auch nichts sagen. Als Staubsauger- und Versicherungsvertreter hat er einst gearbeitet und wohl gut verdient. Zwei Mal war er verheiratet, seine Kinder aus erster Ehe sind acht und zwölf Jahre alt. Den Kontakt zu ihnen brach er ab, „weil bei mir alles bergab ging“, hat er dem Haftrichter erklärt. Anfang vergangenen Jahres habe er seine Medikamente gegen Depressionen abgesetzt, ein halbes Jahr später hätten ihn dann extreme Ängste befallen. „Ich dachte schon, dass ich zum Arzt muss“, sagte er in der Vernehmung, „aber auch in der Vergangenheit habe ich die Krankheit selbst überwunden.“

Seinen Vermieter hatte der 39-Jährige am Tattag angeblich mehrfach versucht, telefonisch zu erreichen. Als er ihn im Treppenhaus hörte, bat er ihn in seine Wohnung und stellte ihn zur Rede. Noch im Flur stach er vielfach auf den Kopf und den Oberkörper des 74-Jährigen ein. Er traf unter anderem das Herz und mehrere Hauptschlagadern. Die Rechtsmedizinerin fand nicht einmal Abwehrverletzungen, so heftig war die Attacke. Der Beschuldigte hat auch weiter auf sein Opfer eingestochen, als es längst auf dem Boden lag. Der 74-Jährige verblutete innerhalb von wenigen Minuten noch am Tatort. Danach habe er ein Gefühl der Erleichterung verspürt, sagte der 39-Jährige dem Haftrichter – „dass ich es geschafft habe“. Anschließend rief er einen Notarzt. Erst mit dem Anruf setze seine Erinnerung wieder ein.

Er dachte, Nazis seien hinter ihm her

Der Beschuldigte war überzeugt davon, dass eine Art Untergang bevorstehe – weil auf seinem Tablet-Computer als aktueller Standort plötzlich nicht mehr Böblingen, sondern Berlin und Düsseldorf angegeben wurden. In den Nachrichten hörte er, dass dort Demonstrationen von Rechtsradikalen stattfinden sollten. „Die waren hinter mir her, weil ich alles nicht schaffe“, habe er gedacht. Außerdem habe er aus der Wohnung über sich Geräusche, die für ihn wie „ein Höllenfeuer“ geklungen hätten, und Stimmen wie aus Funkgeräten gehört. Und aus dem Abfluss in der Küche roch es seiner Meinung nach modrig, obwohl es sich um einen Neubau handelte. Er habe sich und seine Kinder schon auf der Streckbank gesehen und den Vermieter für den Drahtzieher dahinter gehalten, schilderte er dem Haftrichter.

Drei Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt. Am Freitag, 31. Juli, wird er fortgesetzt. Die Ehefrau des Opfers tritt als Nebenklägerin auf, sie ist aber bei Gericht nicht anwesend und wird auch keine Angaben machen. „Aufgrund der Erkrankung ist auch in Zukunft mit ähnlich gelagerten Taten zu rechnen“, sagte der Staatsanwalt über den Beschuldigten. Der 39-Jährige ist seit der Tat in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Weissenau bei Ravensburg untergebracht. Dort soll er, wenn es nach dem Staatsanwalt geht, auch bleiben.