Bundesweit war Hans Richter als unerschrockener Chefermittler in Wirtschaftsdelikten bekannt. Nun steht seine Nachfolge fest: es wird eine Oberstaatsanwältin, die für ihre Führungsstärke gelobt wird, aber nicht einschlägig erfahren ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der mit Spannung erwarteten Neubesetzung des Chefermittlers für Wirtschaftskriminalität bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gibt es eine handfeste Überraschung. Nachfolgerin des Ende September ausscheidenden Oberstaatsanwaltes Hans Richter (68), der bundesweit als ungewöhnlich sachkundiger und engagierter Strafverfolger bekannt war, wird eine fachlich bisher nicht besonders ausgewiesene Kollegin: die Oberstaatsanwältin Beate Weik (49), in der Behörde derzeit tätig als Leiterin einer Abteilung für allgemeine Delikte mit Schwerpunkt auf dem Bereich Aalen. Dies teilte ein Sprecher von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) auf StZ-Anfrage mit. Der Chefposten in der für ganz Württemberg zuständigen Hauptabteilung für Wirtschaftskriminalität werde damit, wie beabsichtigt, nahtlos wieder besetzt.

 

Bei der promovierten Juristin handele es sich um eine „sehr erfahrene Staatsanwältin“, die seit 1993 im Justizdienst stehe, berichtete das Ministerium. Sie sei unter anderem von 2010 bis 2014 an der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft tätig gewesen und 2014 als Abteilungsleiterin zur Staatsanwaltschaft Stuttgart gewechselt. Auf die StZ-Nachfrage, inwieweit Weik im Bereich der Wirtschaftskriminalität profiliert sei, nannte der Sprecher keine einschlägigen Erfahrungen. Für den Chefposten in der Wirtschaftsabteilung habe sich Weik neben ihren „sehr guten juristischen Fähigkeiten“ durch ihre zuletzt als Abteilungsleiterin „unter Beweis gestellte große Führungskompetenz und ihr umfassendes Organisationsgeschick“ empfohlen.

Lob für die „hervorragende Juristin“

Zudem sei sie bei der Generalstaatsanwaltschaft insbesondere mit Angelegenheiten der Rechtshilfe befasst gewesen, „die gerade in Wirtschaftsstrafsachen mit nicht selten internationalen Bezügen von großer Relevanz sein können“. Auch durch ihre frühere wissenschaftliche Tätigkeit sei sie mit den internationalen Bezügen des Rechts sehr vertraut; promoviert habe Weik über den US-amerikanischen Verbrechensbegriff im Strafrecht. Insgesamt lobte das Ministerium die 49-Jährige als „hervorragende und hoch angesehene Juristin“, die gerade in ihren letzten Verwendungen „ganz ausgezeichnete Arbeit“ geleistet habe.

Die Stelle war im Mai routinegemäß ausgeschrieben worden. Sie solle nach dem üblichen Prozedere besetzt werden, hieß es damals: Bewerber würden nach Eignung, Leistung und Befähigung ausgewählt, ein Auswahlvorschlag gehe an den Hauptstaatsanwaltsrat. Erhebe dieser keine Einwände, unterbreite der Justizminister dem für die Ernennung zuständigen Ministerpräsidenten seinen Vorschlag.

Pflegeleichterer Nachfolger gewünscht?

In Justiz und Wirtschaft war die Stellenbesetzung bundesweit mit großem Interesse erwartet worden. Der Amtsinhaber Hans Richter war wegen seiner Kompetenz – er hatte neben Jura auch Betriebswirtschaft studiert – und seines unerschrockenen Vorgehens auch gegen Wirtschaftsgrößen bekannt, teilweise aber auch umstritten. Kritiker monierten, er gefalle sich zuweilen zu sehr in der Rolle des „Großwildjägers“ und kriminalisiere unternehmerische Entscheidungen. In den Konzernen wünsche man sich daher einen „pflegeleichteren“ Nachfolger, hieß es schon im Frühjahr; diskrete Lobbyarbeit mit diesem Ziel sei bereits angelaufen. Stickelberger ließ damals mitteilen, von einer Einflussnahme aus der Wirtschaft sei seinem Haus „nichts bekannt“. Richter selbst hatte stets betont, es diene auch der Wirtschaft, wenn dort mit den Mitteln des Rechts Ordnung gehalten werde. Einen ideologisch motivierten Verfolgungseifer hatte der bekennende Alt-Achtundsechziger zurückgewiesen.

Der Oberstaatsanwalt hatte seine Pensionierung mehrfach hinausgeschoben; mit 68 Jahren erreicht er nun endgültig die Altersgrenze. Zuletzt hatte er in den Ermittlungen um die versuchte VW-Übernahme durch Porsche Anklage gegen den früheren Konzernsprecher von Porsche erhoben, die Ermittlungen gegen Aufsichtsräte aber eingestellt. Im Prozess gegen einstige Porsche-Vorstände wegen Marktmanipulation wollte er eigentlich noch die Anklage vertreten. Nachdem der Beginn von Juli auf Oktober verschoben wurde, kann er dies nicht mehr. Seine Nachfolgerin Weik wird in dem mit Spannung erwarteten Verfahren offenbar nicht auftreten: Für die Staatsanwaltschaft gingen zwei Ermittler aus Richters Abteilung in die Hauptverhandlung, sagte eine Behördensprecherin.