Der parlamentarische Sonderermittler Jerzy Montag hat sich durch die Verfassungsschutzakten des des V-Mannes „Corelli“ gewühlt. Er fand hohe Honorare und womöglich nicht beachtete Hinweise auf den NSU.

Berlin - Ein halbes Jahr lang hat sich der frühere Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag durch die Verfassungsschutzakten des V-Mann „Corelli“ gearbeitet. Jetzt hat der Grünen-Politiker einen 300 Seiten langen, als geheim eingestuften Bericht vorgelegt. Sein Fazit: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Gesetzesverstöße seines langjährigen Top-Spitzels gedeckt und Spuren ignoriert, die zur Terrorgruppe NSU hätten führen können.

 

Montag war im Oktober 2014 vom Parlamentarischen Kontrollgremium als Sonderermittler eingesetzt worden. Anlass war der Fund einer 2005 vom V-Mann „Corelli“ an das BfV übergebenen CD mit Fotos und Dokumenten, in deren Begleittext die Begriffe„Nationalsozialistischer Untergrund“ und „NSU“ auftauchen. Das BfV behauptet, die Bezeichnung NSU seinerzeit als nicht relevant eingestuft zu haben.

Ob alle „Corelli“ Akten vorgelkegt wurden, ist ungewiss

Die jetzt dem Sonderermittler vom BfV vorgelegten „Corelli“-Akten widersprechen der offiziellen Darstellung des Bundesamtes offenbar nicht. Montag kommt in seinem Prüfbericht jedenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Auswertung der CD mit der Aufschrift NSU durch den Geheimdienst „schlicht unterlassen worden“ sei. Ob das stimmt, lässt sich abschließend kaum beurteilen. Lagen dem Sonderermittler doch nur jene Akten vor, die ihm das Bundesamt zur Verfügung gestellt hatte. Ob die „Corelli“-Akten aber vollständig sind, ist fraglich – nach dem Auffliegen des NSU wurden im BfV viele Akten vernichtet.

In den ihm zugänglich gemachten Unterlagen stieß Montag aber auf einige bemerkenswerte Details. So duldete das BfV offenbar stillschweigend Rechtsverstöße seines Spitzels, etwa wenn „Corelli“ auf den von ihm betreuten Internetseiten Bilder mit Hakenkreuzen präsentierte. Interessant auch ein Fund während einer Hausdurchsuchung bei „Corelli“: die Kampfschrift „Der Weg vorwärts“, in dem Kampfzellen propagiert werden, die Anschläge auf Migranten ausüben sollen. Für seine 18 Jahre währende V-Mann-Tätigkeit bekam der 2012 abgeschaltete „Corelli“ insgesamt knapp 300 000 Euro Spitzellohn, inklusive Sonderprämien für von der Polizei beschlagnahmte Computer.

Linke sieht noch immer viele offene Fragen

Einen Hinweis auf Kontakte von „Corelli“ zum NSU oder entsprechende Berichte von ihm fand Montag in den Akten nicht. Dafür aber eine auffällige Formulierung, mit der der Neonazi in Staatsdiensten 2006 einen Beitrag in einem Internetforum abschloss: „Heute ist nicht alle Tage…“, heißt es dort. Ein Zitat aus der Comic-Serie „Der rosarote Panther“, das auch der NSU in dem im gleichen Jahr produzierten Bekennervideo benutzt.

Für Petra Pau, Obfrau im damaligen NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, lässt der Bericht viele Fragen offen. „Wir haben immer gesagt, dass der Fall Corelli nur einer von zahlreichen Komplexen ist, die ein neuer NSU-Untersuchungsausschuss aufklären muss“, sagt die Linken-Politikerin, „daran hat sich mit dem Bericht nichts geändert – im Gegenteil.“