Die CDU lässt nicht locker in ihrer Kritik an Verkehrsminister Hermann. Nun kontern die Grünen: Zu Zeiten der schwarzen Regierung seien von dem Ressort weitaus mehr Berateraufträge freihändig vergeben worden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Über die Vergabe von Gutachten durch das Verkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne) gibt es neuen Streit zwischen den Grünen und der CDU. Die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi warf Hermann erneut vor, er vergebe Aufträge „nach Gutsherrenart“. Zudem habe sein Ressort gegenüber dem Landesrechnungshof falsche Angaben gemacht. Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Schwarz sprach dagegen von „unredlicher und doppelzüngiger“ Oppositionsarbeit: Die CDU skandalisiere eine Praxis, die sie selbst erheblich stärker gepflegt habe.

 

Razavi nimmt seit Monaten die Vergabe von Gutachten durch das Verkehrsministerium aufs Korn. Besonders kritisch sieht sie die Beauftragung der Berliner Beratungsfirma KCW und deren Partners Michael Holzhey, der als ausgewiesener Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 gilt. An KCW seien Aufträge im Wert von etwa 500 000 Euro überwiegend ohne Ausschreibung vergeben worden, hatte sie gerügt. Weil Hermann und Holzhey sich lange kennen, war von „Günstlingswirtschaft“ die Rede. Der Minister hatte dagegen auf die besondere Expertise von KCW insbesondere bei der Bestellung von Verkehrsleistungen verwiesen; diese habe dem Land schon viel Geld erspart.

Grüne: CDU kritisiert die eigene Praxis

Als Reaktion auf die Vorwürfe der CDU-Abgeordneten erbat der Grünen-Verkehrsexperte Schwarz beim Ministerium eine Übersicht der Vergaben zu Stuttgart 21 und zum Bahnverkehr in der vergangenen Legislaturperiode. Begründung: Er wolle wissen, inwieweit diese ohne öffentliche Ausschreibung durchgeführt worden seien. In der Antwort listete das Ressort Aufträge im Volumen von mehr als 2,5 Millionen Euro auf. Gut 1,3 Millionen Euro davon seien freihändig vergeben worden. Größter Posten ist eine Rechtsberatung zu Stuttgart 21 mit fast 600 000 Euro, der nächstgrößere schlägt mit knapp 200 000 Euro zu Buche.

Für Schwarz belegt dies, dass Grün-Rot „die Summe der freihändig vergebenen Gelder für Gutachten halbiert hat“. Die CDU kritisiere also eine „gängige Verwaltungspraxis, von der sie selbst gerade im Zusammenhang mit Stuttgart 21 überdurchschnittlich und auffällig großzügig Gebrauch gemacht hat“. Damit mache sich die Opposition lächerlich: „Ihre Kritikpunkte fallen auf sie selbst zurück.“

Ministerium weist Vorwürfe zurück

Die CDU-Abgeordnete Razavi lässt derweil nicht locker. Sie hakte erneut mit einer Anfrage beim Verkehrsministerium nach und sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. „Je genauer wir hinschauen, desto mehr Ungereimtheiten und Widersprüche stellen wir fest, die der Minister weder entkräften noch erklären kann“, sagte sie der dpa. So habe ein Abgleich Widersprüche bei den Angaben zu KCW gegenüber dem Landtag und dem Rechnungshof ergeben. Die Gutachtenvergabe wertete die CDU-Abgeordnete als „Misstrauen in den eigenen Apparat“. Auch der FDP-Abgeordnete Jochen Haußmann warf Hermann „Management by Misstrauen“ vor. Der Minister müsse volle Transparenz herstellen, sonst nähre er den Verdacht, „mittels Spezlwirtschaft alte Seilschaften“ zu bedienen.

Das Verkehrsministerium wies die Vorwürfe zurück. Unterschiede zwischen den Angaben ergäben sich aus den unterschiedlichen Fragestellungen, argumentierte das Ressort laut dpa. Razavi habe umfassendere Auskünfte verlangt als der Rechnungshof, für den es nur um Gutachten ging.

Vergabe der Gutachten im Verkehrsministerium

Expertisen In den vergangen Jahren ist nicht nur der Aufwand für die Vergabe von Gutachten im Verkehrsministerium rasant angewachsen, sondern auch die Zahl der externen Expertisen. 2011 waren es 18, 2012 waren es 31. Im vergangenen Jahr vergab das Ressort 32 Expertisen und zahlte dafür insgesamt knapp 2,3 Millionen Euro.

Kostencontrolling Der mit rund 409 000 Euro größte Brocken entfiel auf die Firma Techdata für „Beratungsleistungen Kostencontrolling S 21 2013“. An dem EU-weiten Ausschreibungsverfahren nahmen 22 Bieter teil. In einer Antwort auf eine CDU-Anfrage hatte das Ministerium aber darauf hingewiesen, dass für die Wirtschaftlichkeitsberechnung von Stuttgart 21 einzig das Berliner Unternehmen KCW die notwendige Expertise mitbringe.

Fahrzeugfinanzierung Der zweitteuerste Posten mit 238 000 Euro war die rechtliche Beratung bei der Erstellung der Lastenhefte für die Fahrzeugfinanzierung. In einem solchen Heft werden die Anforderungen, die der Fuhrpark potenzieller Anbieter für den Regionalverkehr erfüllen muss, festgeschrieben – etwa Details zu Sitzen. Die Erfüllung dieser Kriterien ist wiederum Voraussetzung dafür, dass der Auftragnehmer in den Genuss der Finanzierungshilfen kommt.

Themen Weitere Themen für externen Sachverstand waren unter anderem der Generalverkehrsplan Baden-Württemberg, der Bundesverkehrswegeplan, Verwendung von Recyclingmengen, Lärmsanierung und Amphibienwanderstrecken. (dpa)