Commerzbank-Chef Martin Blessing spricht sich überraschend für die Einführung der umstrittenen Gemeinschaftsanleihen aus. Berlin lehnt den Vorstoß ab: Eine gemeinsame Haftung könnte als Einladung kriselnder Länder zum Schuldenmachen missbraucht werden.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Commerzbank-Chef Martin Blessing hat die Debatte über Eurobonds neu entfacht. Blessing sprach sich im „Handelsblatt“ für die Einführung von Anleihen aus, für die alle Eurostaaten gemeinsam haften. Diese Gemeinschaftshaftung solle allerdings nur für einen Teil der Schulden jedes Landes gelten, erläuterte Blessing. Die Bundesregierung wies den Vorstoß zurück: „Diese Frage von Eurobonds steht für uns nicht zur Debatte, und an der Grundhaltung hat sich nichts geändert“, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel über ihren Sprecher mitteilen.

 

Noch deutlicher wurde der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU): „Anstelle sich mit einem Thema zur Unzeit zu befassen, sollte sich Herr Blessing auf seine Funktion als Vorstandsvorsitzender konzentrieren.“ Die Commerzbank war in der Finanzkrise vom Staat gerettet worden und gehört zu 17 Prozent dem Bund.

Kanzlerin Merkel hatte der Einführung von Eurobonds schon 2012, auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise, eine Absage erteilt. Damals trieb die Furcht vor einer Pleite Italiens oder Spaniens die Zinsen auf Staatsanleihen beider Länder in die Höhe. Mit gemeinsam verbürgten Schuldtiteln wollten die Befürworter von Eurobonds die Spirale aus erdrückenden Altlasten und stetig steigenden Zinskosten durchbrechen. Die Idee dahinter: wenn alle Euroländer zusammen hafteten, müssten Käufer von Staatsanleihen keinen Zahlungsausfall mehr fürchten und würden sich deshalb mit niedrigeren Zinsen zufriedengeben.

Regierung lehnt Eurobonds ab

In Berlin stoßen Eurobonds gleich aus zwei Gründen auf heftigen Widerstand: Ihre Einführung könnte Deutschland steigende Zinsen bescheren, weil Gemeinschaftanleihen mit einem höheren Risiko behaftet wären als Bundesanleihen. Merkel und andere Regierungspolitiker äußerten in der Vergangenheit zudem die Befürchtung, eine Gemeinschaftshaftung könnte als Einladung zum Schuldenmachen missbraucht werden.

Aus ähnlichen Erwägungen lehnte in der Vergangenheit übrigens auch Blessing Eurobonds ab. „Würde man sie sofort einführen, nähme man den Druck von denen, die ihr Ausgabeverhalten verändern sollen“, sagte er Ende 2011. Eurobonds seien deshalb bestenfalls am Ende eines tiefgreifenden europäischen Integrationsprozesses denkbar, weil zu einer gemeinsamen Haftung auch eine gemeinsame Haushalts- und Wirtschaftspolitik gehöre.

Inzwischen aber argumentiert Blessing genau andersherum – er betrachtet Eurobonds als Instrument für mehr Haushaltsdisziplin, sofern sie richtig ausgestaltet würden. Denn die Vergemeinschaftung der Schulden sei längst erfolgt: Die Europäische Zentralbank (EZB) habe „Eurobonds quasi durch die Hintertür eingeführt“, schrieb Blessing im „Handelsblatt“.

Blessing hofft auf „Disziplinierung durch Marktzinsen“

Gemeint ist das Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi im Juli 2012, hochverschuldete Länder notfalls durch den Kauf von Staatsanleihen vor der Pleite zu bewahren. Würde die EZB diese Ankündigung in die Tat umsetzen und mit den Papieren Verluste machen, so müssten dafür die Notenbanken aller 18 Eurostaaten geradestehen – und damit in letzter Instanz die Steuerzahler in der gesamten Währungsunion.

Seit Draghis Versprechen vom Sommer 2012 sind die Zinsen auf Staatsanleihen der Krisenländer kräftig gesunken, nach Auffassung Blessings zu kräftig. Vor diesem Hintergrund fordert er, die Politik müsse der EZB das Ruder aus der Hand nehmen und klare Regeln für eine begrenzte Gemeinschaftshaftung aufstellen: Über eine gemeinsame Finanzagentur sollten die einzelnen Eurostaaten Schulden bis zu einer Grenze von 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen dürfen. Für alle darüber hinausgehenden Schulden müsste weiter jeder Staat allein einstehen. Nach Einschätzung Blessings würden die Zinsen für diese national begebenen Anleihen dann die Risiken angemessen widerspiegeln. Er erhofft sich davon „eine Disziplinierung durch Marktzinsen“.