Künftig werden Bordelle sowie FKK-Clubs zusätzlich von der Stadt zur Kasse gebeten – pro Quadratmeter. Die meisten Hausbetreiber leiten die Kosten an ihre Mieterinnen weiter. In Sindelfingen gibt es bereits seit fünf Jahren eine Sex-Steuer.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Einstimmig hat der Böblinger Gemeinderat die Einführung einer Sex-Steuer beschlossen. So wird die Erweiterung der Vergnügungssteuersatzung umgangssprachlich genannt: Vom nächsten Jahr an müssen die Betreiber von Bordellen und anderen Betrieben, in denen sexuelle Angebote gegen Geld zu haben sind, pro Quadratmeter zwölf Euro im Monat bezahlen. Dazu zählen FKK-Clubs sowie Etablissements mit Striptease- und Tabledance-Vorführungen. Damit fordert Böblingen den höchsten Satz in der Region Stuttgart. Die SPD hatte die entsprechende Satzungsänderung beantragt. Bislang waren nur Glücksspiel und Kabinen zur Vorführung von Pornofilmen durch die städtische Satzung abgedeckt. „Vor allem in Hinblick darauf, dass sich in Böblingen mehrere Bordelle befinden“, müsse diese Lücke dringend behoben werden, forderten die Sozialdemokraten.

 

Einnahmen von rund 180 000 Euro werden erwartet

Das Amt für Finanzen und Steuern rechnet mit jährlichen Einnahmen von rund 180 000 Euro. In der Stadt befinden sich zurzeit mit dem C 33 und einem FKK-Club zwei größere Bordelle im Gewerbegebiet Hulb. Außerdem gibt es ein kleineres Etablissement und fünf Terminwohnungen. Die Behörde schätzt die besteuerbare Fläche auf 1500 Quadratmeter. Eine Auskunftspflicht der Betreiber besteht aber erst nach dem Inkrafttreten der neuen Satzung. Für Sexdarbietungen an anderen Orten, etwa einer Bar oder auf einer Messe, werden pro Veranstaltungstag 250 Euro fällig. Auch die beiden Sexkinos in Böblingen werden durch den Beschluss zur Kasse gebeten – mit monatlich zehn Euro pro Sitzplatz.

„Eine Änderung der Satzung würde Böblingen als Standort für derartige Etablissements unattraktiver machen“, heißt es in dem Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion. In Sindelfingen wird bereits seit fünf Jahren die Sex-Steuer verlangt, Bordelle müssen dort rund 150 Euro pro Zimmer im Monat in die Stadtkasse bezahlen. Das entspricht etwa acht Euro auf den Quadratmeter. Dadurch kommen jährlich etwa 110 000 Euro in die Stadtkasse – von den drei Betrieben in der Stadt. Im Kreis Böblingen verlangt ansonsten keine Kommune diese Gebühr, weil es keine weiteren größeren Anlaufstellen gibt. „Der Aufwand, die Steuer zu erheben, und die durch diese Steuer zu erwartenden Einnahmen stehen in keiner abbildbaren Kosten-Nutzen-Relation“, teilt Undine Binder-Farr mit, die Sprecherin der Stadt Leonberg.

Die Steuer wird an die Prostituierten weiter gegeben

Der Unternehmerverband Erotikgewerbe Deutschland (UEGD) kritisiert, dass mit der Sex-Steuer „nicht der Vergnügungsempfänger besteuert wird, sondern pauschal der Vergnügungsgeber“. Außerdem handelt es sich dem Verein zufolge um eine Doppelbesteuerung: Würde die Vergnügungssteuer abgeschafft, würde sich der Unternehmensertrag erhöhen und somit die Gewerbesteuer, die ebenfalls den Städten allein zufließt, erklärt der UEGD. „In der Regel wird die Steuer an die Damen weitergegeben“, sagt ein Hausbetreiber, der anonym bleiben will: Die Miete für die Zimmer der Prostituierten wird einfach erhöht. Positiv an der zunehmenden Zahl von Städten mit erweiterter Vergnügungssteuerpflicht findet er nur, dass dadurch unter den Betrieben gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen.

Gemeinderat und Verwaltung hoffen nun, mit der neuen Satzung „einer möglichen Konzentrationswirkung von Vergnügungsstätten auf Böblinger Stadtgebiet entgegenzuwirken“. Vom 1. Januar an werden nämlich auch die vier Wettbüros zusätzlich besteuert. Insgesamt rechnet die Stadt mit Einnahmen von 3,44 Millionen Euro aus der gesamten Vergnügungsbranche. Davon soll ein noch unbekannter Betrag in die Prostituiertenhilfe investiert werden, etwa für Streetwork und Beratung.