VW-Arbeiterführer Osterloh rückt das Thema der korrekten Bezahlung von freigestellten Betriebsräten in den Fokus. Der Streit über die Gehaltskürzungen der SSB-Betriebsräte in Stuttgart geht derweil weiter.

Stuttgart - Der mächtige Betriebsratsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, Bernd Osterloh, steht im Verdacht, unverhältnismäßig viel Geld zu kassieren. Der Vorwurf, die Chefs der freigestellten Belegschaftsvertreter zu begünstigen und damit Untreue zulasten des Betriebs zu begehen, wird seit Jahren nicht nur VW, sondern allen großen Automobilkonzernen und deren Zulieferern gemacht. Er verfängt aber nur selten, weil es sich bei einer Begünstigung um ein Antragsdelikt handelt, das nur verfolgt wird, sofern es von einer beteiligten Partei angezeigt würde. Das ist aber die Ausnahme.

 

Ein Beispiel dafür ist die neue Arbeitsdirektorin der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG, Sabine Groner-Weber, die aktuellen und ehemaligen Vorstandskollegen vorwirft, die freigestellten Betriebsräte Klaus Felsmann, Thomas Asmus, Dieter Hafenbrack und den Schwerbehindertenbeauftragten Wolfgang Hoepfner zu hoch entlohnt zu haben. Deshalb hat sie 2016 die Grundgehälter abgesenkt, Pauschalen gestrichen und Rückforderungen gestellt. Die Betroffenen klagen. Sie finden, man habe sie nun zu tief eingestuft.

VW-Arbeiterführer kassierte hohes sechsstelliges Gehalt

Der Bus- und Bahnfahrer Klaus Felsmann mit erstaunlichen fast 100 000 Euro brutto im Jahr ist ein kleines Licht gegen den VW-Arbeiterführer Osterloh. Nachdem der gelernte Industriekaufmann aus Wolfsburg bei Amtsantritt 2005 ein Gehalt von rund 80 000 Euro jährlich offengelegt hat, kassiert er jetzt bis zu 250 000 Euro, in der Spitze waren es mit Boni sogar 750 000 Euro. Osterloh sagte, er werde „vergleichbar zu Bereichsleitern“ vergütet. In den großen Blättern wurde darauf verwiesen, dass Betriebsräten „eine Bezahlung gemäß ihrer Aufstiegschancen“ zustehe.

Wenn es so einfach wäre. Wie weit Osterloh auf der Karriereleiter bei VW nach oben gestiegen wäre, hätte er nicht den Posten eines freigestellten Betriebsrats angenommen, ist eine hypothetische Frage. Entscheidend für die Nachzeichnung seines fiktiven Werdegangs ohne die Freistellung ist in erster Linie aber nicht seine eigene Leistungsfähigkeit, sondern die einer Gruppe vergleichbarer Kollegen. Es gilt also, die „betriebsübliche berufliche Entwicklung“ nicht freigestellter Personen zu ermitteln – und zwar solcher, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme Osterlohs gleich qualifizierte Tätigkeiten ausführten und fachlich und persönlich mit ihm auf Augenhöhe wirkten. Würde Osterloh korrekt bezahlt, wäre es bei VW kein Einzelfall, sondern übliche Praxis, dass Industriekaufmänner zu Bereichsleitern aufsteigen. Das ist eher unwahrscheinlich.

Mit dieser Feststellung sind auch die SSB-Betriebsräte konfrontiert, die vor ihrer Freistellung 2002 als Bus- und Bahnfahrer unterwegs waren, bis 2016 aber zwei bis sechs Entgeltgruppen höher eingestuft waren als die fahrenden Kollegen. Die Betroffenen rechtfertigen den Gehaltssprung in die Kategorie der Verkehrsmeister oder Dienststellenleiter damit, dass diese Jobs von ehemaligen Kombifahrern geleistet würden. Der Vorstand kontert, nicht alle Fahrer (derzeit sind es 1500), seien in verantwortungsvolle Positionen aufgestiegen, sondern nur sechs in 19 Jahren. Von „üblicher“ Karriere keine Spur.

Werden Industriekaufmänner üblicherweise Spitzenverdiener?

Es wäre ratsam gewesen, zu Beginn der Amtszeit schriftlich festzuhalten, mit wem das Betriebsratsmitglied vergleichbar war. Das sei aus Unkenntnis unterlassen worden, erinnert sich Wolfgang Hoepfner. 15 Jahre später eine korrekte Vergleichsgruppe zu erstellen ist schwierig. Der Schwerbehindertenbeauftragte versucht es trotzdem und wird dabei nach eigener Aussage ausgebremst, weshalb er nun klagen wolle. Mit seinem Antrag auf Überprüfung seiner Einstufung war der Ball ins Rollen gekommen. Hoepfner hatte vor der Übernahme des Ehrenamts als Fahrer an einem Qualifizierungsprogramm mit mehr als 20 Kollegen teilgenommen. Er will nicht mit irgendwelchen Kombifahrern verglichen werden, sondern mit solchen, die wie er eine gehobene Schulbildung genossen haben. Der SSB-Vorstand habe im März zwar vier Personen benannt, aber keine Kriterien, die der Auswahl zugrunde lagen.

Hoepfner lehnte ab. Seitdem warte er auf eine Antwort des Vorstands, der auch auf der Arbeitsebene mit den Betriebsräten über Kreuz liege. Aktuell geht es um Dienstplanregelungen und das Tragen von Dienstkleidung. Die Verhandlungen sind in der zweiten Maiwoche gescheitert, nun streitet man, ob man eine Einigungsstelle anruft oder gleich mehrere. „Betriebsratsvergütung und Dienstkleidung/Dienstplanung sind innerhalb der SSB nicht miteinander verknüpfte Themen“, teilt der Vorstand auf StZ-Anfrage mit. Dessen Ansinnen, den Betriebsrat nicht mehr bei der Dienstplanerstellung einbinden zu wollen, komme einer Amtsenthebung gleich, sagt Hoepfner.