Seit Mittwoch prüft das Verwaltungsgericht Stuttgart eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen den neuen Luftreinhalteplan. Das Land setzt indes auf einen Aufschub der drohenden Fahrverbote für Dieselautos.

Stuttgart - Macht das Land wirklich, was es kann, um die Belastung der Stuttgarter Luft mit gefährlichen Stickoxiden nachhaltig zu reduzieren? Das Verwaltungsgericht Stuttgart prüft seit Mittwoch auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land den neuen Luftreinhalteplan. Der soll vom 1. Januar 2018 in der Landeshauptstadt gelten. Seit mindestens sieben Jahren werden dort die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxide zum Teil um das doppelte übertroffen. Sie stammen vor allem aus Dieselmotoren. Mit einer Entscheidung wird in der nächsten Woche gerechnet.

 

Während die DUH allein in Fahrverboten für Dieselautos ein wirksames Mittel gegen die Luftverschmutzung sieht, versucht das Land inzwischen, Fahrverbote zu verhindern. Man wolle abwarten, ob die von der Autoindustrie angekündigten Nachrüstungen älterer Diesel womöglich eine ähnliche Wirkung für die Luftreinhaltung haben, sagten Vertreter des Landes bei der Verhandlung. Dies wolle man im Jahr 2018 prüfen. Reicht es nicht, kämen die Fahrverbote wieder ins Spiel.

Richter Wolfgang Kern ließ jedoch erhebliche Zweifel am Effekt der Nachrüstungen erkennen. Die Berechnungen des Landes dahingehend, wie rasch welche Diesel nachgerüstet werden könnten, und wie weit sich die Schadstoffe dabei reduzieren ließen, sei „von maximalem Optimismus getragen“. Experten des Landes gehen davon aus, dass 50 Prozent der Diesel, die bisher nur die Abgasnorm Euro-5 erreichen, auf Euro-6 nachgerüstet werden müssten, um die Wirkung der angedachten Fahrverbote zu erreichen. Weitere Annahme: Durch Nachrüstung lasse sich der Schadstoff um 50 Prozent reduzieren. Die Machbarkeit beruhe auf Angaben der Autoindustrie. Am Ende stehe am Neckartor aber nur eine Reduzierung der Schadstoffe um 9 Prozent, ließ sich das Gericht vorrechnen.

Das Land baut darauf, rasch Zusagen des Bundes und der Autoindustrie zu bekommen, dass die Nachrüstung mindestens so wirksam ist wie die umstrittenen Diesel-Fahrverbote. Man sei optimistisch und wolle dieser „milderen Maßnahme“ für die Autofahrer zumindest eine Chance geben, sagte Abteilungsleiter Christoph Erdmenger. Jürgen Resch, Geschäftsführer der DUH, glaubt hingegen nicht an die Nachrüstung. Er sei „fassungslos“, dass sich die Landesregierung darauf einlasse. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sei eine Marionette der Autoindustrie. Bisher gebe es keine konkreten Nachrüstpläne.

Einig sind sich beide Seiten übrigens darin, dass die Einführung einer blauen Plakette, mit der gezielt ältere Dieselautos aus Umweltzonen ausgesperrt werden könnten, die weitaus beste Maßnahme zur Luftreinhaltung wäre. Allerdings müsste da die Bundesregierung tätig werden, was sie nicht tut. Und auf absehbare Zeit auch nicht tun werde, wie Richter Kern betonte. „Die kann aus dem Luftreinhalteplan eigentlich raus.“

Zwei Anwohner des stark belasteten Neckartors - Deutschlands seit Jahren schmutzigster Kreuzung - hatten vor dem gleichen Gericht und dem gleichen Richter im April 2016 bereits einen Vergleich erstritten. Land und Stadt mussten zusagen, ab 1. Januar 2018 an Tagen mit extrem hoher Belastung den Verkehr am Neckartor um 20 Prozent zu reduzieren. Das Gericht ließ schon damals kaum Zweifel daran, wie hoch Gesundheitsschutz zu werten ist. Pläne für die Umsetzung des Vergleichs gibt es laut Verkehrsministeriums bisher nicht. Richter Kern rechnet daher übrigens schon recht bald mit einem neuen Verfahren zur Vollstreckung des Vergleichs.