Die Anwohner in Degerloch ächzen und ätzen. Rund um die Karl-Pfaff-Straße geht es mitunter wild her. Weil Sparfüchse die engen Straßen zuparken, sind Stellplätze Mangelware und Hupkonzerte garantiert.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Der Text könnte deutlicher nicht sein. „Durch Ihr idiotisches, egoistisches und rücksichtloses Parken beanspruchen Sie einen Parkplatz, der normalerweise für 20 Kamele samt Treiber ausreicht.“ Das klemmte Mitte Januar hinter dem Scheibenwischer einer Frau, die an der Mittleren Straße in Degerloch geparkt hatte, um sich im Hirsch mit Bekannten zu treffen. Dagegen spricht rein rechtlich nichts, die Stellplätze entlang der Mittleren Straße sind frei für jedermann. Was nichts daran ändert, dass die Anwohner zunehmend genervt sind.

 

Der Rest ist nicht zitierfähig

Der Zettel hinter dem Scheibenwischer war mit „Verwarnung“ übertitelt. Da er aber „wahrscheinlich sowieso nicht fruchtet, verabschiede ich mich und wünsche Ihnen baldigst einen Motorschaden auf der Autobahn um 23 Uhr, bei -26 Grad und unter Windstärke 12“. Der Rest der Botschaft ist nicht zitierfähig.

Christine Rüdt wohnt an der Karl-Pfaff-Straße, dort sei es auch nicht viel besser mit den Parkern. Nicht nur, dass Leute, die an der Epplestraße einkaufen wollen, bei ihr vor dem Haus parken, sie sieht auch immer wieder Kennzeichen aus der Region und vermutet, dass die Fahrer kostenlos ihr Auto abstellen und mit der Bahn weiterpendeln. Neulich habe ein Auto mit dem Kennzeichen PAN (Landkreis Rottal-Inn) mehrere Tage unterhalb ihres Wohnzimmers geparkt, sagt Christine Rüdt. Sie findet das einfach nicht in Ordnung.

Die Karl-Pfaff-Straße an einem Freitagmittag. Parkplätze sind rar. Manche Autos parken fast auf der Kreuzung, ein anderes versperrt eine Garage. Der Paketbote düst – sicher nicht mit 30 – die Straße entlang. Es geht eng zu, die Straße ist eher ein Sträßchen, rechts und links zugeparkt. Hinter einem Schaufenster steht Polly Mai-Jennings. Seit zwei Jahren ist sie mit ihrer Englisch-Sprachschule an der Karl-Pfaff-Straße. Seit zwei Jahren beobachtet sie „Reibereien zwischen Autofahrern“, sagt sie. Es werde gehupt, manchmal sogar geschrien. „Zwischen 16 und 17 Uhr ist hier Halligalli.“

Lastwagen müssen rangieren

Ein paar Türen weiter im Kosmetik-Institut unterstreicht Liane Bott-Völker, was Polly Mai-Jennings erzählt hat. Sie kennt die Straße seit mehr als 40 Jahren. Wenn Lastwagen die Mittlere Straße herunter kämen, müssten sie oft lang rangieren, um die in die Kreuzung geparkten Autos zu umrunden. Manchmal komme ein Lastwagenfahrer in den Laden und frage, ob das Fahrzeug zufälligerweise einem Kunden gehöre.

Jens Tusche vom Foto-Shop ist seit drei Jahren an der Karl-Pfaff-Straße. Vorher war er an der Rubensstraße, und da sei es auch nicht viel besser gewesen. „Jeder dritte Kunde, der hier reinkommt, sagt: ‚Also mit dem Parken ist es hier ja so eine Sache’.“ Ein junger Mann hat den Laden betreten. „Parkplatz gefunden?“, fragt Jens Tusche. „Ich parke gleich am Eck und richtig behindert“, sagt der Kunde. So ist das hier rund um die Karl-Pfaff-Straße. Jens Tusche fährt teils ins Lothar-Christmann-Haus oder auf den Haigst, um Aufträge von Leuten abzuwickeln, weil sie zu betagt sind. „Und hier können sie nirgends parken“, sagt Jens Tusche. „So müssten sie längere Strecken laufen, was sie nicht können.“

Die Anwohnerin Christine Rüdt, die kritisiert, dass tagelang Fahrzeuge aus anderen Städten bei ihr vor dem Haus parken, beobachtet auch immer wieder, dass es „kracht“, wie sie sagt. „Weil die Kreuzung zugeparkt und nicht mehr einsehbar ist.“ In dieser Gegend Degerlochs kracht es tatsächlich immer wieder. Im vergangenen Jahr hat die Polizei 16 Unfälle registriert, diesen Januar waren es bereits drei. „Kleinstunfälle“, wie der Polizei-Sprecher Jens Lauer betont. Zum Beispiel touchiert oder gestreift beim Ausparken, oder Spiegel ab, zweimal hat sich der Verursacher aus dem Staub gemacht. 16 Kleinstunfälle sind nicht nichts. Trotzdem zum Vergleich: Von Unfallschwerpunkten spricht die Polizei bei circa 20 Stück, „aber mit Verletzten“, sagt Jens Lauer. Einen Verletzten habe es dort in Degerloch keinen einzigen gegeben. Dass aber verhältnismäßig oft etwas passiert, „ist charakteristisch für solche Straßen“, sagt der Polizeisprecher. „Das ist ja bald wie im Stuttgarter Westen.“

Gastparker, die Geld sparen wollen

Der Stadt ist nicht entgangen, dass es in den Degerlocher Sträßchen mitunter wild zugeht. „Wir beobachten das natürlich auch“, sagt Thomas Grab von der Verkehrsüberwachung. „Es herrscht ein großer Parkdruck.“ Einerseits durch die Anwohner selbst, andererseits aber auch wegen Gastparkern, die Geld sparen wollen. Thomas Grab sagt, die Stadt erkläre sich die Verschlechterung mit dem Parkraummanagement im Stuttgarter Süden. Seit dort nicht mehr frei geparkt werden könne, nutzen vermutlich viele Pendler Degerloch als Dauerparkplatz.

Die Leute von der Verkehrsüberwachung seien durchschnittlich viermal die Woche an den einschlägigen Stellen in Degerloch unterwegs, das sei relativ oft. Falschparker treffen sie fast immer an, „Die Parkhäuser sind nicht ausgelastet, aber die Einmündungen und Halteverbote sind zugeparkt“, sagt Thomas Grab.

Vielen Anwohnern stinkt das gewaltig. Der Ton hat an Schärfe zugenommen. Hinter dem Scheibenwischer jenes Autos an der Mittleren Straße klemmte Mitte Januar nicht nur jene ins Geschmacklose abrutschende Verwarnung. Auf einem zweiten Zettel stand zu lesen: „Sie parken in einem Wohngebiet, das ist richtig scheiße für uns Anwohner.“