Fußgängerzone vor dem Bonatzbau, ein Boulevard an der Oper und eine neue City-Umfahrung – dafür muss aber das Verkehrsaufkommen in Stuttgart sinken.

Stuttgart - Das hohe Verkehrsaufkommen auf der innerstädtischen B 14 zeigt nur zu deutlich, dass die Stadt Stuttgart mit ihrem Feinstaubalarm wegen zu hoher Schadstoffbelastung in der Luft nur wenige Pendler dazu bewegt, freiwillig aufs Auto zu verzichten. Die EU droht freilich mit Geldstrafen, die Deutsche Umwelthilfe klagt in Stuttgart und Anwohner haben erreicht, dass die Stadtverwaltung vom Jahr 2018 an zur Luftverbesserung an Tagen mit zu hoher Belastung für ältere Dieselfahrzeuge Verbote für die Einfahrt in die City aussprechen muss. Polizeipräsident Franz Lutz hat aber kürzlich betont, dass das Verbot kaum überwacht werden könne.

 

Umweltexperten halten es für ausgeschlossen, dass mit einem zeitweisen Einfahrverbot Marke Eigenbau eine nennenswerte Senkung des Verkehrsaufkommens erreicht werden kann. Das wäre aber nicht nur nötig, um die Schadstoffwerte am Neckartor zu senken. Auch städtebauliche Ziele im Zusammenhang mit Stuttgart 21 und dem Kulturviertel rund um die Oper können nur erreicht werden, wenn der Pendlerstrom nachlässt.

Nur die Blaue Plakette ist kontrollierbar

Auch deshalb plädieren Land, Stadt und Umweltverbände für die Einführung einer Blauen Plakette. Diese würde nur solchen Dieselfahrzeugen die Einfahrt in die Umweltzone ermöglichen, die der Euro-6-Norm entsprechen, sowie Benzinern mit Euro-3-Norm. Nur sie ermöglicht einen signifikanten Rückgang der Verkehrszahlen, und zwar dauerhaft, nicht nur an Feinstaubtagen. Die Befürworter werden aber bisher noch von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ausgebremst.

Sowohl für die Neuordnung des Cityrings nach der Umwandlung der Schillerstraße vor dem Hauptbahnhof zur Fußgängerzone, wenn der S-21-Halt in einigen Jahren fertig ist, als auch für den Umbau der Kreuzung Neckartor sowie für die Umgestaltung der „Kulturmeile“ Konrad-Adenauer-Straße in einen Stadtboulevard muss die Zahl der Fahrzeuge auf der B 14 zwischen Bad Cannstatt und dem Heslacher Tunnel um mindestens 30 Prozent gesenkt werden – nicht nur bei schlechter Luft, sondern dauerhaft. Heute fahren auf der Achse 100 000 Fahrzeuge am Tag.

Autolobby plädiert für alternative Lösungen

CDU und Freie Wähler, ausgemachte Fahrverbotsgegner, haben das Problem erkannt. Sie ziehen daraus aber andere Schlüsse. Die einen fordern den Ostheimer Tunnel, um die neuralgische Kreuzung am Neckartor zu entlasten, die anderen sprechen sich gegen eine Sperrung der Schillerstraße aus, obwohl sie das Projekt mit der Zustimmung zu S 21 längst genehmigt haben. Diese Forderungen gelten als Hinweis, dass bei allem guten Gestaltungswillen und dem Wunsch nach einer Abkehr von der autogerechten Stadt die Verkehrsexperten im Rathaus gehalten sind, den politischen Willen nicht aus dem Auge zu verlieren. Im Gemeinderat gibt es eine Mehrheit aus CDU, SPD, Freien Wählern, FDP und AfD, die trotz restriktiver Maßnahmen wie Parkraummanagement, Radstreifenausbau und Tempo 40 an Steigungsstrecken die City für Autos offen halten will.

Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) hat noch nicht geklärt, ob der Architekt Christoph Ingenhoven neben dem Tiefbahnhof auch den Arnulf-Klett-Platz und die Schillerstraße umgestalten darf oder ob es einen neuen Wettbewerb geben wird. Fakt ist aber, dass zwischen Kurt-Georg-Kiesinger- und Gebhard-Müller-Platz (beim Wagenburgtunnel) nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs nur noch Taxis, Busse und Anlieferer vorfahren dürften.

Der Cityring wird größer

Auf diesem Teilstück des 4,2 Kilometer langen Cityrings verkehren 50 000 Fahrzeuge täglich. Künftig führt der auf 6,2 Kilometer erweiterte Rundkurs über die weiter östlich verlaufende Wolframstraße, die wegen des steigenden Verkehrsaufkommens (30 000 Fahrzeuge pro Tag) sechs Spuren bekommen hat. Als Herausforderung entpuppt sich die Kreuzung Cannstatter Straße (B 14) mit der Heilmannstraße. Sie müsste einen Teil des bisherigen Verkehrs der Schillerstraße aufnehmen.

Allerdings ist an diesem Knoten 30 Prozent weniger Verkehr erwünscht, nicht 30 Prozent mehr – wegen der Messstelle Neckartor, aber auch, weil es für die künftig dort abbiegenden Cityring-Nutzer keine Unter- oder Überfahrung geben wird. Die Kapazität der niveaugleichen Kreuzung ist deutlich geringer als die des Pendants Gebhard-Müller-Platz. Ihn können die B-14-Nutzer heute unterfahren. Wenige hundert Meter weiter wartet das nächste Problem. Ohne Schillerstraße wird der aus dem Wagenburgtunnel kommende Verkehr komplett auf die B 14 fließen, die meisten werden nach links in die Konrad-Adenauer-Straße abbiegen. Aber auch hier muss gelten: Weniger ist mehr, denn die Stadt plant einen Cityboulevard. Dafür sollen Überwege angelegt sowie Fahr- und Einfädelspuren zugunsten eines breiten Geh- und Radwegs geopfert werden. Das wird mit einem Aufkommen von 100 000 Fahrzeugen täglich schwer zu bewerkstelligen sein. Für die Flaniermeile trommelt neuerdings auch der Verein Aufbruch Stuttgart mit dem Journalisten Wieland Backes. Er fordert ein ansprechendes Kulturquartier mit sanierter Oper und neuer Konzerthalle an einem begrünten Boulevard. Planungshemmnisse läßt er noch ausgeblendet. Im Rathaus erwartet man aber, dass die Freunde der schönen Künste, wollen sie ernst genommen werden, ihre mit Nachdruck vorgebrachten Forderungen endlich mit der verkehrspolitischen Realität abgleichen.