Autofahrer aus Stuttgart und der Region haben die Navigations-App Navigar getestet. Das Forschungsprojekt begeistert im Test.

Stuttgart - Joachim Raumer aus Vaihingen hat eine ganz besondere Navigations-App auf seinem Smartphone. Der Dachdeckermeister war einer von mehreren hundert Testfahrern für das von der Landeshauptstadt, dem Land und zwei Anbietern von Navigationsgeräten getragene Forschungsprojekt Navigar. Dahinter verbirgt sich ein elektronischer Lotse mit lokaler Ortskenntnis, den Raumer und seine Mitarbeiter von Juli bis Dezember im realen Alltagsbetrieb getestet haben. „Nützlich, aber durchaus noch verbesserungsbedürftig“, lautet Raumers Urteil über den zeitweiligen Mitfahrer.

 

„Navigar soll die Lücke zwischen dem kommunalen und lokalen Verkehrsmanagement und der kommerziell organisierten Navigation schließen“, erklärt Gunnar Krehle, Projektmanager beim Kompetenzzentrum ITS Baden-Württemberg. Das Ziel sei es, den Verkehr auch bei Staus stadtverträglich zu lenken und Blechlawinen in Wohngebieten zu vermeiden. „Bei einem Stau auf der A 8 empfehlen herkömmliche Navis meistens Ausweichrouten, die mitten durch Stuttgart führen“, ergänzt der an dem Projekt beteiligte Wissenschaftler Manfred Wacker vom Lehrstuhl für Verkehrsplanung an der Universität Stuttgart. „Unser Navigar-Test hat aber gezeigt, dass die Autofahrer in den meisten Fällen trotz des Staus rascher vorankommen, wenn sie auf der Autobahn bleiben“, so Wacker. Und das erspare der Stadt schließlich auch viel Lärm und Schadstoffe.

Lotse übernimmt Tipps der städtischen Leitstelle

Darauf hofft auch Ralf Thomas, der Leiter der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) der Stadt. Das noch im Versuchsstadium befindliche Navigar-System arbeite eng mit dem Verkehrsleitsystem der IVLZ zusammen. „Bei Störungen werden unsere Ausweichempfehlungen übernommen.“ Das hätten die meisten Testfahrer aus der Region als hilfreich und positiv empfunden. Das System müsse aber noch weiter entwickelt und verfeinert werden. „Unser Ziel ist ein marktreifer elektronischer Lotse, dessen Informationen automatisch auf dem Display des Navigationsgerätes erscheinen, wenn man sich im Auto der Stadt nähert.“

Der Testfahrer Raumer attestiert Navigar, dass die App innerstädtische Ziele recht rasch gefunden habe. „Dennoch bin ich oft ausgebüxt und habe andere Straßenabschnitte genutzt, weil ich mich in der Stadt gut auskenne“, sagt der Dachdecker. Für einen neuen Mitarbeiter aus Köln sei der Navigar-Lotse allerdings eine ganz große Hilfe gewesen, um freie Wege zu den Baustellen zu finden. Raumer hofft, dass bei der Weiterentwicklung die vorgegebenen Verkehrslenkungsstrategien „besser an die Bedürfnisse von Handwerkern angepasst werden“, für die es in Stuttgart oft kaum ein Durchkommen gebe.

Das Ziel ist ein Marktplatz für Mobilitätsdaten

Für den Projektleiter Krehle hat der mehrmonatige Test gezeigt, „dass eine kleinräumige Verkehrssteuerung möglich ist“. Bis zur Marktreife des lokalen Lotsen werde aber noch einige Zeit vergehen. Noch sei Navigar nur eine Insellösung, die weiterentwickelt und ausgebaut werden müsse. Aber die Anbieter von Navigationssystemen hätten ein großes Interesse an aktuellen örtlichen Verkehrsinformationen, weil dieser Service ein gutes Verkaufsargument sei, ergänzt Wacker.

„Unser großes Ziel ist ein bundesweiter Marktplatz für einfach austauschbare Mobilitätsdaten“, betont Krehle. Dann könnten sich Navigationsgeräte – etwa bei einer Fahrt von München nach Hamburg – unterwegs automatisch in alle Systeme mit spezifischen lokalen Verkehrinformationen einloggen.