Der Verkehrsminister Winfried Hermann stellt den Individualverkehr in einem Vortrag vor Unternehmern aus dem Rems-Murr-Kreis nicht aufs Abstellgleis. Er fordert aber neue Formen des Antriebs und der Vernetzung.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Allmersbach - Die bisherige Mobilität stellt sich längst selbst in den Stau.“ Buchstäblich. Täglich rund 230 000 Individualfahrzeuge rein in die Region Stuttgart und 80 000 raus, seien eindeutig zu viel für das vorhandene System, sagt Winfried Hermann. Am Donnerstagabend hat der Landesverkehrsminister bei einer Veranstaltung der Industrie und Handelskammer Rems-Murr im Casino des Verpackungsmaschinenentwicklers Harro Höfliger ein flammendes Plädoyer für gemeinsame Anstrengungen hin zu einer kombinierten Mobilitäts- und Energiewende gehalten. „Wir müssen dabei Tempo machen, es bleibt uns nicht mehr viel Zeit, diesen Prozess zu schaffen“, betonte der zuletzt wegen seines Vorstoßes für ein Geschwindigkeitslimit auf der A 81 Gescholtene vor Unternehmern und Kommunalverantwortlichen in Allmersbach.

 

„Dramatisch vernachlässigter“ Fuß- und Radverkehr

Bei jener Mobilitätswende gehe es keineswegs darum, das Auto als individuelles Transportmittel generell abzuschaffen. Aber es seien zu viele umweltunverträgliche Fahrzeuge unterwegs, die noch dazu zu ineffizient genutzt würden, glaubt Hermann. Sinnvoller, als in nahezu jedem Haushalt einen Pkw vorzuhalten, wäre seiner Ansicht nach, sich genau das Fahrzeug schnell und unproblematisch leihen zu können, das man gerade benötige. Gleichzeitig müsse der Nahverkehr attraktiver gestaltet werden: Moderne, komfortable Fahrzeuge müssten angeschafft, gute und verlässliche Anschlüsse geschaffen beziehungsweise ausgebaut werden. Auch dem bisher „dramatisch vernachlässigten“ Fuß- und Radverkehr müsse mehr Raum gegeben und über all dem eine entsprechende Vernetzung organisiert werden.

Die Landesregierung sei da in vielen Bereichen längst aktiv, berichtete Hermann – auch in der Grundlagenforschung: in etlichen Pilotprojekten würden neue und energieeffiziente Formen der Mobilität erprobt. Aber auch „Altlasten“ würden aufgearbeitet. Lange nicht mehr sei so viel in den Straßenbau investiert worden, wie zurzeit – und das unter der Ägide eines Grünen Ministers. Allerdings sei dazu auch einen Paradigmenwechsel vollzogen worden: Statt neue Straßen zu bauen, konzentriere man sich nun auf die Erhaltung und Ertüchtigung bestehender Netze.

„Wir brauchen eine blaue Plakette“

Gleichwohl werde die Landeshauptstadt nicht umhin kommen, etwas gegen ihr Feinstaub- und Stickoxidproblem zu tun. „Wir brauchen eine blaue Plakette“, stellte der Verkehrsminister klar. Das bedeute kein generelles Fahrverbot, „aber eines für alte, dreckige Autos“. Der Wirtschaftsverkehr, so lautete die dem Forum angepasste unternehmerberuhigende Botschaft, werde davon „weitgehend“ ausgenommen sein.

Überhaupt könne der „Transformationsprozess“ nur zusammen mit jenem Teil der Wirtschaft gestaltet werden, der heute noch überwiegend vom Verbrennungsmotor lebe. „Wir müssen gemeinsam Wege finden, das gesamte Automotivecluster auf die neue Mobilität einzustellen“, sagte Hermann und betonte, dass er dabei „technologieoffen“ sei.

Über Dieseldiskussion „maßlos geärgert“

Allerdings müsse mit der Wahl der neuen Technologie auch die Energiewende gelingen. Die jüngste Diskussion um Dieselfahrzeuge habe ihn in diesem Zusammenhang maßlos geärgert, weil sie rückwärtsgewandt und nicht zukunftsträchtig gewesen sei. Hermann: „Wir haben die Technologien und die Firmen, die saubere Autos bauen können – und sollten es aber auch tun und nicht abwarten.“

So sieht denn auch der IHK-Bezirkskammer-Präsident Claus Paal in seinem Fazit zur Veranstaltung große Herausforderungen auf die Unternehmen zukommen, aber auch „eine spannende Zeit, in der wir eine Politik mit Start-up-Mentalität benötigen“.