Höchst ungewöhnlich waren die Umstände, unter denen das Verkehrsressort den Berater KCW beauftragte: Die erste Ausschreibung wurde mit neuen Kriterien wiederholt, ein Jahr später erfolgte eine „Notvergabe“ ohne Konkurrenz.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Vergabe von Beratungsaufträgen im Ressort von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist es zu erheblichen, bisher nicht bekannten Turbulenzen gekommen. Zwei Großaufträge im Zusammenhang mit den Ausschreibungen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wurden jeweils unter ungewöhnlichen Umständen an die Berliner Beratungsgesellschaft KCW vergeben. Beim ersten der beiden Aufträge im Wert von jeweils knapp 200 000 Euro kam KCW erst zum Zuge, nachdem die europaweite Ausschreibung mit neuen, geänderten Kriterien wiederholt worden war. Beim zweiten Mal wurden die Berliner in einer Art „Notvergabe“ direkt beauftragt, weil die Mittel aus dem ersten Auftrag schneller als erwartet erschöpft waren. Entsprechende Recherchen der Stuttgarter Zeitung bestätigte ein Sprecher des Ministeriums.

 

Eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Nicole Razavi hatte unlängst ergeben, dass das Verkehrsressort Aufträge im Wert von einer halben Million Euro an KCW vergeben hatte. Razavi sprach in diesem Zusammenhang von „grünem Filz“, weil der zuständige KCW-Partner Michael Holzhey ein Kritiker des Bahnprojekts Stuttgart 21 und Bekannter von Hermann ist. Der Minister hatte die Kritik als „so dreist wie abwegig zurückgewiesen“ und auf die hohe Kompetenz der Berater verwiesen; bundesweit sei KCW Marktführer bei der Betreuung von SPNV-Vergaben (die StZ berichtete).

Im ersten Durchlauf siegt ein Billiganbieter

Für die Vergaben ist eigentlich die vom Ministerium beaufsichtigte Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) zuständig. Angesichts der bevorstehenden Welle neuer Ausschreibungen galt sie jedoch als überfordert; deswegen bemühte sich das Verkehrsressort um externen Sachverstand. Ein entsprechender Rahmenvertrag für die Begleitung wurde im Herbst 2012 nach einer europaweiten Ausschreibung mit KCW geschlossen, wie das Ministerium auch in der Antwort auf die CDU-Anfrage mitteilte. Die Vorgeschichte wurde darin jedoch nicht erwähnt. Die von der Nahverkehrsgesellschaft selbst vorgenommene Ausschreibung brachte zunächst ein anderes Ergebnis: Nicht KCW, sondern ein erheblich billigerer, namentlich nicht bekannter Anbieter hätte nach den zugrunde liegenden Kriterien den Zuschlag erhalten müssen. Je zur Hälfte, so war es festgelegt, sollten nämlich der Preis und die Qualität ins Gewicht fallen.

Doch mit diesem Ergebnis war das Resort von Hermann offenbar nicht sehr glücklich. Die Folge: es wurde überlegt, die Ausschreibung mit neu gewichteten Kriterien zu wiederholen. Die Qualität sollte dabei zu 70 Prozent, der Preis nur noch zu 30 Prozent gewertet werden. Ob ein solcher neuer Anlauf rechtlich möglich sei, ließ das Ministerium eigens von einer Anwaltskanzlei prüfen. Nachdem diese bejahte, kam es zur zweiten Ausschreibung – mit Zustimmung aller Beteiligten, auch des Siegers aus der ersten Runde, wie der Ministeriumssprecher betont. Das Ergebnis: diesmal machte KCW das Rennen – „wunschgemäß“, wie interne Kritiker argwöhnen. Das Nettovolumen dieses Auftrages lag laut der Antwort an die Landtags-CDU bei 196 000 Euro.

Notvergabe wegen ausgegangenen Geldes

Doch das Geld war offenbar schneller verbraucht als erwartet. Deswegen wurde im vergangenen Jahr ein Folgeauftrag notwendig, den das Ministerium diesmal selbst vergab. Aus Zeitgründen habe man dafür keine Ausschreibung vornehmen können, sondern den Weg der „Direktvergabe“ an KCW gewählt, heißt es; auch von einer „Notvergabe“ ist die Rede. Das Netto-Volumen diesmal: 180 000 Euro.

Inzwischen ist ein weiterer Folgeauftrag ausgeschrieben, dessen Vergabe die Opposition genau im Blick behalten wird. Mit Argusaugen dürfte beobachtet werden, ob und unter welchen Umständen wieder KCW zum Zuge kommt.

Mit der bisherigen Auskunft, so die CDU-Abgeordnete Razavi, sei man nicht zufrieden. „Sie wirft mehr neue Fragen auf, als sie zur Aufklärung beiträgt.“ Nicht akzeptabel findet es die Verkehrsexpertin insbesondere, dass das Ministerium weitere externe Berater zunächst nicht nannte und auf einen geplanten Bericht an den Rechnungshof verwies.