Soll rund um Stuttgart Tempo 80 eingeführt werden? Das könnte die Lärmbelästigung senken. Die Entscheidung liegt beim Regierungspräsidium.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Trotz der frühen Stunde haben sich am Dienstagmorgen im Umwelt- und Technikausschuss die Gemüter vieler Stadträte erregt – von ideologischer Argumentation, inhaltlichen Schwächen und sinnlosen Vorstößen war da die Rede. Es ging um den alten Streit, ob man auf den Autobahnen rund um Stuttgart das Tempo deutlich drosseln sollte, damit die Anwohner in Vaihingen oder in Weilimdorf weniger Lärm ertragen und weniger Schadstoffe einatmen müssen. Zu guter Letzt stimmten Grüne, SPD und SÖS/Linke mehrheitlich für einen neuen Antrag beim Regierungspräsidium, das letztlich entscheidet.

 

Doch der Reihe nach: Schon des Öfteren hat die Stadt Tempo 100 auf der A 8, der A 81 und der A 831 entlang der Stuttgarter Gemarkung durchsetzen wollen. Das Regierungspräsidium hat die Forderung stets abgelehnt: Laut geltenden Richtlinien müsse der Lärm um mindestens drei Dezibel gesenkt werden, damit sich eine Maßnahme lohne – das sei bei Tempo 100 nicht der Fall gewesen.

Freie Wähler enthalten sich

Doch zwei Dinge haben sich jetzt geändert. Erstens hat die grün-rote Landesregierung angekündigt, die rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz der Bevölkerung auszuschöpfen – so soll es jetzt eine konkrete Einzelfallprüfung geben und nicht nur allgemeine Einlassungen. Zweitens hat die Stadt jetzt beim Regierungspräsidium beantragt, das Tempo gleich auf 80 km/h zu senken – dadurch könne die Minimalreduktion von drei Dezibel erreicht werden, sagte Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) am Dienstag im Ausschuss. Angeregt hatten den erneuten Vorstoß die Freien Wähler im Bezirksbeirat Vaihingen.

Eine der Überraschungen war, dass sich aber die Freien Wähler im Ausschuss bei der Abstimmung enthielten: Sie wollten ihren Kollegen in Vaihingen nicht in den Rücken fallen, begründete Stadtrat Jürgen Zeeb diese Haltung, aber „wir glauben nicht, dass ein Tempolimit erfolgreich ist“. FDP-Stadtrat Günter Stübel wandte sich ebenfalls gegen Tempo 80: Damit lege man „Hand an unsere Wirtschaftskraft“, sagte er. Im Übrigen sei das Thema stark ideologisch besetzt – zunächst solle man prüfen, ob nicht mit Lärmschutzwänden oder Flüsterasphalt mehr für die Anwohner getan werden könne.

Eine „rigide Maßnahme“

Philipp Hill (CDU) argumentierte ganz ähnlich. In einem Ballungsraum Tempo 80 einzuführen sei eine „rigide Maßnahme“, die der Wirtschaft nicht förderlich sei. Außerdem kritisierte er, dass die Stadt in ihrer Vorlage nicht ausgeführt habe, was die Reduzierung der Geschwindigkeit bringe. Die Vorlage sei so schwach, dass man auf dieser Basis nicht entscheiden könne. Bürgermeister Schairer entgegnete, man wolle mit dem Antrag gerade erreichen, dass das Regierungspräsidium entsprechende Berechnungen anstelle. Im Lärmminderungsplan Filder aus dem Jahr 2001 ist davon die Rede, dass Tempo 80 den Lärm um drei Dezibel reduziere.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind brachte das Beispiel München ein: Dort sei auf der A 95 und A 96 auf 20 Kilometer Länge Tempo 80 eingeführt worden – und der Verkehr sei bisher nicht zusammengebrochen. Im Übrigen, so warf Grünen-Stadtrat Michael Kienzle ein, sei es ein müßiger ideologischer Streit, ob ein Tempolimit der Wirtschaft schade oder nutze: Es gebe durchaus Studien, nach denen der Verkehr gerade bei Tempo 80 am flüssigsten sei. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz forderte schließlich, dass man, wenn man über Autolärm spreche, auch über Stadtbahnlärm sprechen müsse: „Es gibt nicht bösen Lärm und guten Lärm“, sagte er und fügte hinzu: „Von Demonstrationslärm will ich erst gar nicht reden.“

Neuer Antrag aussichtsreich?

Wie aussichtsreich der neue Antrag ist, konnte Clemens Homoth-Kuhs, der Sprecher des Regierungspräsidiums, nicht sagen. Auf jeden Fall sei bei Autobahnen auch die Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums vonnöten. Grundsätzlich könnten Tempolimits durchaus erfolgreich sein: Auf der B 10 im Neckartal und auf der B 313 zwischen Wendlingen und Plochingen habe man mit Tempo 80 den Lärm um ein Drittel gesenkt. Trotz der neuen Regierung würden aber weiter die alten Gesetze gelten, so Homoth-Kuhs. Das Landesverkehrsministerium habe aber die Möglichkeit, direkt Tempolimits einzuführen. In einem Fall – bei der B 29 im Ostalbkreis – sei dies kürzlich auch geschehen.