Drei Tage nach der Landtagswahl wird in Berlin der neue Verkehrswegeplan vorgelegt. Schon jetzt deutet ein CDU-Mann an, welche Projekte gefördert werden. Grünen-Politiker sind über diese selektive Information empört.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart/Berlin - Es ist eine Spur der Hoffnung, die Norbert Barthle in diesen Wochen durch Baden-Württemberg zieht. Wo immer der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Schwäbisch Gmünd und parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium auftritt, hat er frohe Botschaften parat. Landauf, landab wird mit Spannung erwartet, welche Projekte es im Bundesverkehrswegeplan für die nächsten 15 Jahre nach oben schaffen. Ob eine Straße, ein Wasserweg oder eine Schienenstrecke als „vordringlicher Bedarf“ – womöglich mit dem Zusatz „plus“ – oder nur im „weiteren Bedarf“ eingestuft wird, ist für viele Regionen eine Schicksalsfrage: überall dort, wo die bis zum Jahr 2030 zu vergebenden insgesamt 260 Milliarden Euro des Bundes letztlich hin fließen, dürfte Jubel ausbrechen, bei den leer Ausgehenden hingegen Katzenjammer.

 

Fertig gestellt ist der Plan inzwischen, für den etwa 2000 angemeldete Vorhaben geprüft und bewertet wurden. Offiziell will Barthles Chef, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), das Geheimnis indes erst in einer Woche lüften: am 16. März, just drei Tage nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wird der Entwurf in Berlin präsentiert, dann beginnt die Beteiligung der Öffentlichkeit. So sei es seit langem geplant und angekündigt, sagt das Ministerium; von einem Zusammenhang mit der Wahl ist offiziell keine Rede. Ein Kollege Barthles, der Staatssekretär Enak Ferlemann, machte daraus indes keinen Hehl: Vor großem Zuhörerkreis berichtete er laut Teilnehmern unlängst freimütig, man werde sicher verstehen, dass das Papier erst nach der Wahl auf den Tisch komme: Neben viel Freude werde es naturgemäß auch erhebliche Enttäuschungen auslösen.

Emissär zieht eine Spur der Hoffnung

Doch es gibt ein Indiz, wer im Südwesten zu den Glücklichen gehören könnte: die Reiseroute von Norbert Barthle. Überall dort, wo der schwäbische Dobrindt-Emissär auftritt, kann man sich offenbar Hoffnung machen. Der Staatssekretär verrät zwar noch wenig, deutet aber viel an: Mal spricht er von guten oder sehr guten Chancen für die Einstufung, mal von „positiven Signalen“, mal davon, dass er „bis zum letzten Blutstropfen“ für ein Vorhaben kämpfen werde. Kürzlich in Filderstadt etwa verbreitete er Optimismus, dass der sechsspurige Ausbau der Bundesstraße 27 hohe Priorität erhalte: Man habe „alles dafür getan“, er bitte noch um „zwei Wochen Geduld“. Tatsächlich ist der Abschnitt nach StZ-Informationen im „vordringlichen Bedarf“ gelandet, offenbar sogar mit „Plus“-Zusatz. Das Land, mahnte Barthle, müsse freilich mehr Aktivität entfalten und endlich „planen, planen, planen“. Das würde man ja gerne, ließ Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) pikiert erwidern, könne und dürfe es aber nicht, weil der Ausbau bisher nur im „weiteren Bedarf“ rangiere. Daher rieche es nach einer „plumpen Wahlkampfattacke“.

Stunde der Wahrheit nach der Wahl

Mit Argusaugen beobachtet auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel, wo überall Barthle Hoffnungen weckt. Positiv wertet der Filderstädter nicht nur die Signale für die B 27, sondern auch beispielsweise für die B 10 zwischen Gingen und Geislingen oder den Albaufstieg der A 8. Besorgt registriert Gastel hingegen, wo ein „auffälliges Schweigen im Walde“ herrsche: etwa bei der Beschleunigung der Remsbahn zwischen Stuttgart und Nürnberg oder der Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn zwischen Lindau und Radolfzell; auch zum eminent wichtigen Ausbau der Neckarschleusen höre man verdächtig wenig. Es sei ein „unwürdiges Spiel“, rügt der Grüne: Vor der Wahl würden nur die Wohltaten verbreitet. Erst danach schlage die „Stunde der Wahrheit“: dann erfahre man, „welche sinnvollen Projekte beim Bund hinten hinunter fallen“.

Enttäuschungen für Baden-Württemberg?

Gerade im Südwesten könnte es größere Enttäuschungen geben. Darauf stimmte auch ein Bericht des „Handelsblatts“ ein, das offenkundig bereits Einblick in den sorgsam unter Verschluss gehaltenen Plan hatte. Während Alexander Dobrindt seine bayerische Heimat überproportional gut bediene, komme in Baden-Württemberg nicht einmal jedes dritte Projekt in die Kategorie „vordringlich“. Zudem häuften sich gerade dort Widersprüche und Ungereimtheiten: bundesweit bedeutsame Engpässe an Autobahnen, deren Beseitigung auch der ADAC dringend anmahne, drohten im „weiteren Bedarf“ zu landen – und damit auf die lange Bank geschoben zu werden. Entsprechend misstrauisch ist auch die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Edith Sitzmann. Per Brief an Minister Dobrindt erkundigte sie sich dieser Tage, ob der Plan zurückgehalten werde, „weil Baden-Württemberg schlecht berücksichtigt worden ist“. Die Tour von Staatssekretär Barthle, der inzwischen für mindestens 16 Projekte Hoffnung mache, habe im Südwesten „großes Misstrauen und Unsicherheit ausgelöst“. Dabei könne Dobrindt den Verdacht, das Timing habe etwas mit dem Wahltermin zu tun, ganz leicht aus der Welt schaffen: „Legen Sie die Karten auf den Tisch“, appellierte Sitzmann an ihn.

Doch der CSU-Mann denkt nicht daran. Es bleibe dabei, was man schon im November 2015 gesagt habe, lässt er seine Pressestelle ausrichten: der Plan werde „wie angekündigt am 16. 3. vorgestellt“.