Die Grünen fordern stationäre Geräte zur Geschwindigkeitsmessung in der Stadt. Auch Rotlichtsünder sollen ins Visier kommen. Herrenberg und Böblingen setzen schon lange auf diese Art der Verkehrsüberwachung – wegen „einer zunehmenden Disziplinlosigkeit im Straßenverkehr“.

Sindelfingen - Mit einer solchen Unterstützung hat Hans Grau nicht gerechnet: Als die Grünen im Sindelfinger Gemeinderat die Installation von stationären Blitzanlagen in der Stadt forderten, entpuppte sich der Oberbürgermeister als Mitstreiter. „Wir wünschen uns das schon lange“, sagte Bernd Vöhringer in der Sitzung. Im Jahr 2004 hatte die Verwaltung selbst einen solchen Antrag gestellt. Damals sollte dauerhaft in der Mahdental-, Wilhelm-Haspel- und der Magstadter Straße in Maichingen geblitzt werden. Herrenberg und Böblingen hatten kurz zuvor verstärkt auf diese Art der Verkehrskontrolle gesetzt. Doch der Vorschlag wurde einstimmig abgelehnt. Auch im restlichen Landkreis wird der Verkehr vor allem mit mobilen Geräten überwacht. „Jetzt sind wir hoffnungsfroh“, sagt Hans Grau.

 

Erzieherischen Effekt selbst getestet

Den erzieherischen Effekt von stationären Blitzern hat der grüne Fraktionschef an sich selbst festgestellt: Auf der zweispurigen Wolfgang-Brumme-Allee in Böblingen halte er sich immer an die vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer – wegen der dortigen Überwachungssäule. Genau dieses Ergebnis will er auch für Sindelfingen erreichen. „Dass die Autofahrer nach dem Blitzer wieder Gas geben, bezweifele ich einfach“, sagt Hans Grau zu dem oft gegen die festen Anlagen vorgebrachten Argument. Neben den Temposündern sollen künftig zudem auch Rotlichtsünder verstärkt in den Fokus von Kameras genommen werden. Das Ordnungsamt arbeitet bereits an einer Vorlage, die der Gemeinderat im Herbst diskutieren soll.

„Sindelfingen ist keine Raserstadt“, sagt Günther Biermann. Im Gegensatz zu Böblingen oder Herrenberg gebe es im Stadtgebiet viel weniger Durchgangsstraßen, erklärt der Leiter der Straßenverkehrs- und Bußgeldbehörde den bisherigen Blitzer-Verzicht. Zwei- bis dreimal in der Woche schickt er den Vollzugsdienst mit dem mobilen Überwachungsgerät los – oft auf Anregung von Anwohnern, bei Schulen und Kindergärten oder weil es Unfälle gab. Dass die Autofahrer überall mit der beweglichen Kamera rechnen müssen, sei der Vorteil daran. „Die Beschwerden, dass wir nur abzocken wollen, kommen dann auch immer schnell“, berichtet er. Allerdings ist seinem Eindruck zufolge die Verkehrsmoral in den vergangenen Jahren nicht gerade gestiegen, und deshalb ist bei Günther Biermann die Überzeugung gereift, dass zumindest Rotlicht-Blitzer dringend nötig seien.

Zunehmende Disziplinlosigkeit im Straßenverkehr

Anfang 2003 hatte Günther Henne einen ähnlichen Eindruck: „Wir stellen eine zunehmende Disziplinlosigkeit im Straßenverkehr fest“, sagte der Leiter des Böblinger Bürger- und Ordnungsamts seinerzeit. Innerhalb eines Jahres hatte sich die Zahl der von der Stadt verhängten Fahrverbote mehr als verdreifacht. Als Konsequenz wurde Böblingen nach und nach mit drei Blitzern an Ampeln und fünf Geschwindigkeitsmessgeräten ausgestattet. Die neueste Anschaffung erfolgte 2013: zwei kombinierte Rotlicht- und Tempoüberwachungssäulen im Herdweg und der Hauptstraße von Dagersheim. Weitere Investitionen sind aktuell nicht geplant.

Herrenberg baute die erste Kamera im Jahr 2001 an der Nagolder Straße auf und erwischte prompt einen Raser, der innerorts mit 110 Stundenkilometer unterwegs war. Elf weitere Blitzgeräte folgten, die meisten stehen an Bundesstraßen. „Sie tragen zur Verkehrssicherheit bei“, sagt Hans-Peter Rapp. So gewaltige Tempoüberschreitungen wie am Anfang gebe es nicht mehr, ergänzt der Ordnungs- und Standesamtsleiter, „das zeigt, dass die stationären Anlagen wirken, und das ist der Sinn der Sache“. Er wird dem Gemeinderat demnächst ebenfalls eine Vorlage unterbreiten: Neue Säulen sollen gekauft werden – um die alten, verrosteten Starenkästen zu ersetzen.

Sein Sindelfinger Kollege Günther Biermann will Geräte anschaffen, die sowohl die Ampel als auch die Geschwindigkeit auf dem Radar haben. An der Kreuzung von Böblinger und Neckarstraße, in der Mahdentalstraße und in der Leonberger Straße sieht er mögliche Standorte. „Es geht darum, Unfälle zu vermeiden – und nicht darum, Geld zu verdienen“, betont er. Im Gemeinderat scheint die Zeit reif zu sein für einen neuen Anlauf: „Wir werden aufgeschlossen in die Diskussion gehen“, sagt der CDU-Fraktionschef Walter Arnold an.

Blitzgeräte machen sich schnell bezahlt

Einnahmen
Mit dem mobilen Messgerät erzielte die Stadt Sindelfingen im vorigen Jahr rund 200 000 Euro an Bußgeld. Für die Miete des Blitzers waren 123 000 Euro fällig. Böblingen hat mit den stationären Messungen 135 000 Euro kassiert bei 3034 Fällen. An den zwölf Herrenberger Radarfallen wurden fast 12 000 Verstöße registriert, was 236 000 Euro einbrachte. Mit dem mobilen Gerät ahndete die Stadt nochmals 3257 Verstöße und kassierte 66 000 Euro. In Leonberg wird stationär an drei Ampeln geblitzt, ansonsten mit zwei mobilen Geräten. Inklusive der Strafzettel von Falschparkern rechnet die Stadt für dieses Jahr mit 850 000 Euro.

Ausgaben
Ein neuer Säulenblitzer kostet rund 35 000 Euro, die Kamera dazu etwa 50 000. An Letzterem sparen die Kommunen oft: Herrenberg besitzt beispielsweise für seine zwölf Starenkästen nur zwei Kameras. Die neuen Geräte sind mit Lasertechnik ausgestattet, man spart sich dafür die Sensoren unter dem Straßenbelag. Sie liefern digitale Aufnahmen und nicht wie die alten Modelle Filme, die entwickelt werden müssen. „Die Technik funktioniert problemlos“, teilt das Böblinger Ordnungsamt mit.