Die Erben des Künstlers Alfred G. Seidel vermachen der Stadt Schorndorf einen Gutteil seiner grafischen Arbeiten und Bilder. Für die Familie war es ein emotionaler Abschied von dem im Jahre 2001 verstorbenen sehr breit begabten Schaffenden.

Schorndorf - Wer Alfred G. Seidel in Schorndor f künstlerisch begegnen möchte, der findet mitten in der Stadt großformatige künstlerische Zeugnisse von ihm. Das weithin sichtbare Betonrelief am Turm der 1961 erbauten katholischen Heilig-Geist-Kirche hat er gestaltet. Es zeigt alttestamentarische Szenen in abstrahierten Figuren. Zudem stammt ein Kirchenfenster der Stadtkirche von ihm und wichtige Teile der Innenausstattung der kleinen Sankt Stepahnus-Kirche im Teilort Weiler, etwa die Fenster und der Altar.

 

„Er wollte immer, dass die Sammlung zusammenbleibt“

Seit dieser Woche ist die Stadt Schorndorf im Besitz wichtiger Teile des künstlerischen Nachlasses Seidels. Seine drei Kinder haben im Stadmuseum eine Urkunde unterzeichnet, mit welcher sie der Kommune die Arbeiten schenken. Mehr als 30 Ölbilder, mehrere Schränke mit Federzeichnungen, Grafiken, Linolschnitte sowie persönliche Dokumente und Fotos. 2001 ist Alfred G. Seidel gestorben, 16 Jahre lang haben die Arbeiten auf einem Dachboden in der Schorndorfer Lederstraße gelegen, im Gebiet Alter Baumwasen, wo der Künstler zuletzt mit seiner Frau Elisabeth lebte. Die große Sammlung kommt dadurch zustande, dass Seidel als Künstler zeitlebens anerkannt war, sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde – aber nichts verkaufen wollte. „Er konnte sich nicht trennen“, sagt sein Sohn Christoph Seidel. „Er wollte immer, dass das als Sammlung zusammenbleibt.“ Er habe sogar in Erinnerung, dass Menschen, die von seinem Vater portraitiert worden seien, das Bild gerne hätten kaufen wollen – dass sein Vater es aber dennoch bei sich behalten habe. Ein Kontakt zu einem US-Galeristen, der an den Arbeiten Interesse zeigte, habe sich auf diese Weise ebenfalls zerschlagen.

In den Themen, die Alfred Seidel bearbeitet hat, spiegelt sich seine durch den Zweiten Weltkrieg geprägte Generation. Kurz nachdem er 1939 an der Münchener Kunstakademie zu studieren begonnen hatte, wurde Seidel eingezogen und bei Kämpfen in der Normandie schwer verwundet. Sein Sohn Matthias Seidel las bei der Schenkung aus Texten, die diese Kriegserlebnisse drastisch vor Augen führen. Seidel verlor dabei ein Auge, die Selbstporträts zeigen ihn mit einem geschlossenen Augenlid. Eine künstlerische Beschränkung war das für ihn dennoch nicht. „Der ganze Kosmos hat in seinem gesunden Auge gelegen“, sagt Matthias Seidel.

Zeichnungen mit hunderten vom Märchenmotiven

Landschaftsbilder habe Seidel selten gemalt – aber seine gesamten Ölbilder sind in einer Farbigkeit gehalten, die Bekanntes fremd anmuten lässt – worin man eine Hinwendung zum Expressionismus sehen kann, der das Seelenleben in Farben übersetzt hat. Seidel war aber auch als Illustrator tätig. Die Stadt Schorndorf ist jetzt in Besitz hunderter Zeichnungen, die Märchenmotive zeigen, als phantasievolle Gegenwelten. Zudem hat Alfred Seidel eine Reihe von literarischen Arbeiten hinterlassen, etliche Gedichte und Dramen, die er zum Teil mehrfach überarbeitet hat. Der verstorbene Kunstpädagoge Frieder Stöckle war ein Bewunderer Seidels. „Das Leben hat ihm Güte ins Wesen geschrieben“, schrieb Stöckle über seinen Freund.

Ein Teil der Arbeiten konnte die Stadt mangels Lagerraum nicht übernehmen. Sie gehen jetzt an ein Auktionshaus.