Deutlich mehr und auffälligere Abfalleimer, mehr Wassereinsatz zur Pflasterreinigung und mehr Strenge gegen Müllsünder: Verwaltung und Stadträte im Stuttgarter Rathaus feilen an einem neuen Konzept für mehr Sauberkeit in der Stadt. Das wird Mehrkosten in Millionenhöhe bringen.

Stuttgart - Über 1000 Beschwerden pro Jahr auf den Gelben Karten für die Stadtverwaltung lügen nicht – die Stuttgarter ärgert zunehmend, dass in der Stadt viel Abfall herumliegt. Jetzt kommen aber auch die Bemühungen um mehr Sauberkeit besser in Schwung.

 

Im Rathaus gibt es ein neues Rohkonzept der Verwaltung. Bei kompletter Umsetzung würden Mehrkosten von bis zu sieben Millionen Euro pro Jahr entstehen – und einmalige Kosten für Putzgerät und weitere Abfallgefäße in etwas geringerer Millionenhöhe. Das Reinemachen müsse einhergehen mit einer regelrechten Kampagne, die bei der Bevölkerung mehr Bereitschaft zum Mitmachen weckt, steht sinngemäß in dem Papier, das hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, aber dieser Zeitung vorliegt.

Der Verfahrensstand

Noch ist das „ämterübergreifende Konzept zur Steigerung der Stadtsauberkeit“ eine Art von Baukasten. Was man tatsächlich einsetzt, soll sich 2017 klären. Der Abfallwirtschaftsbetrieb AWS ist bereits beauftragt, die Vorschläge zu verdichten und „haushaltsreif zu machen“. Bisher hat zwar erst ein Unterausschuss des Gemeinderats darüber beraten, dort aber hätten alle Fraktionen den Willen bekundet, „etwas zu tun“, wahrscheinlich größere Teile des Konzepts umzusetzen, heißt es. Das Geld müsste bei den Etatberatungen im Herbst 2017 bereitgestellt werden. Mehr Reinigungstrupps, mehr Maschinen und mehr Abfallgefäße könnten dann Zug um Zug im Jahr 2018 auf die Straßen und Plätze kommen. Die Werbekampagne könne vielleicht schon 2017 vorbereitet werden.

Die Zielrichtung

Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) möchte im März oder April den konkreten Vorschlag präsentieren. Er und seine Leute denken bereits an eine deutlich intensivere Nassreinigung an Brennpunkten wie der Königstraße und zusätzlich in den Stadtteilzentren der Außenbezirke. Mit einer neuen Spezialmaschine möchte man die leidigen Kaugummis vom Pflaster entfernen, Flecken und Grauschleier beseitigen, aber auch die Folgen des wilden Pinkelns bekämpfen.

Bisher wird von April bis Ende Oktober in Königstraße, Schulstraße und Turmstraße und zu Zeiten von Festen auch beim Mahnmal am Karlsplatz sechsmal pro Woche nass gereinigt. An anderen Stellen in der wichtigsten Reinigungszone im Herzen der Stadt geschieht das einmal pro Woche. Wollte man hier überall sechsmal anrücken, würde es jährlich bis zu 600 000 Euro mehr kosten. In den Außenbezirken, wo Straßen und Plätze bisher so gut wie nicht nass gereinigt werden, würden je nach Intensität 100 000 bis 315 000 Euro eingesetzt werden müssen.

Die Papierkörbe in der Reinigungszone 1 mit der Königstraße und dem Schlossplatz werden von vier AWS-Mitarbeitern pro Woche in der Mittagszeit sechsmal geleert, außerdem werden Brennpunkte grob gereinigt. Das zu intensivieren, würde knapp 290 000 Euro pro Jahr erfordern. Im Kern von Stuttgart werden die Papierkörbe in der warmen Jahreszeit seit einiger Zeit auch sonntags wieder geleert. In den Außenbezirken seien die Reinigungstrupps schon heute überfordert, meint die Verwaltung. Dort 1000 zusätzliche Abfalleimer zu installieren, sie zu leeren und auch sonst angemessen zu reinigen, könnte bis zu eine Million für die Abfalleimer und jährlich 4,3 Millionen für Personal und Fahrzeuge kosten.

Die Abfallberatung in Schulen, Kindergärten und Vereinen soll verstärkt, die gute alte schwäbische Kehrwoche mindestes einmal pro Woche wieder stattfinden – so haben sich die Abgesandten der beteiligten Ämter am runden Tisch geeinigt. Noch unter OB Manfred Rommel (CDU) war die Pflicht abgeschafft worden, den Gehweg vor dem Haus und die Kandel mindestens wöchentlich zu fegen. Seither gilt: nur noch der Gehweg, und das je nach Bedarf.

Ein weiterer Schwerpunkt in der ersten Phase soll es sein, mehr und vor allem auffälligere Papierkörbe zu installieren. Wer seinen Abfall trotzdem auf die Straße wirft, soll durch vermehrte Kontrollen ermittelt und mit einem Bußgeld bestraft werden.

Die Ursachen der Probleme

Der vermehrte Unrat und die vermehrten Beschwerden haben aus Sicht der Verwaltung diverse Ursachen: immer mehr neu gestaltete Plätze zum Verweilen und „Kommunizieren“, mehr Einkaufsbummler durch längere Ladenöffnungszeiten, mehr Veranstaltungen, flächendeckende Speisen- und Getränkeangebote in Einkaufsmeilen sowie Partyzonen vor Discotheken und Bars. Die Wegwerfmentalität nehme zu, ebenso die Verrohung mancher Besucher der Innenstadt. Vor rund zwei Jahren hat die Stadt schon mit einem Zehn-Punkte-Programm reagiert. So wurden beispielsweise eine schnelle Eingreiftruppe für punktuelle Reinigungen und die Ausdehnung der Reinigungszone 1 realisiert. Aber speziell einige Aufgaben für das Ordnungsamt wurden mangels Personal nicht umgesetzt: mehr Druck auf die Betreiber von Discotheken und Schnellrestaurants zur Müllvermeidung und mehr Kontrollen an Brennpunkten der Wegwerfmentalität. Regelrechte Müllsheriffs wollte man damals aber nicht.

Der neue Denkansatz

Bei der Suche nach passenden Strategien ist die Verwaltung in Städten wie Berlin fündig geworden, aber vor allem in Wien: Dort habe man „fast eine Blaupause“ entdeckt, sagt Thürnau. In Wien gibt es Kampagnen mit witzigen Werbeparolen, auffällige und auch deutlich mehr Abfalleimer als früher, Eingreiftruppen gegen Müllbrennpunkte, viel Aufklärung und auch Druck durch Kontrollen und Bußgelder. So ziemlich allen im Stuttgarter Rathaus ist klar, dass ein Strohfeuer nicht hilft. Die Maßnahmen müssten „auf Jahre“ angelegt sein.