Die Lichtbildnerei würdigt den Fotokünstler Volker Schöbel.

S-Mitte - In der ganz alltäglichen Flut der Bilder wirkt die im Jahr 2008 als Künstlerwerkstatt gegründete „Lichtbildnerei“ schon vom Namen her wie ein Gegenentwurf. Wie ein Inselchen der Besinnung auf noch heute relevante Qualitäten aus den Ursprüngen der Fotografie. Und der fensterlose Raum im Keller hat selbst ein wenig die Aura einer Dunkelkammer: ein magischer Ort für die Kunst, die aus dem Silberbad kommt.

 

Mit der aktuellen Ausstellung von Arbeiten des Fotokünstlers Volker Schöbel geht die Lichtbildnerei nun auch zurück zu den eigenen Ursprüngen. Denn das schmale Kollektiv von freien Fotokünstlern und Studenten, die die Räumlichkeit am „Blumeneck“ der Uhlandstraße trägt, entstammt komplett aus der Freien Fotoschule Stuttgart, 1990 von Schöbel gegründet. Ein Ereignis war so nicht nur die gut besuchte Vernissage, ein solches ist die Ausstellung selbst, die mit 60 Bildern einen repräsentativen Querschnitt aus fast 40 Jahren Lichtbildnerei zeigt – in klassischer Schwarz-Weiß-Manier.

Poetische Schönheit des alten Mediums

Chronologischer Ausgangspunkt sind kleine Formate aus den 1970er Jahren; miniaturhafte Baumkronen etwa, die sich am Rande eine Pfütze spiegeln. Mehr dunkle Schatten als Abbildung, auch die in friedhofshafter Stille eingefrorenen Äste. Welche Konzentration der Wahrnehmung und des Blicks, welche Brillanz in Schärfe und Körnung. Eine kühle poetische Schönheit, wie sie nur in diesem „alten“ Medium denkbar bleibt.

Eine visuelle Askese, die aber schon in dieser Schaffensphase die Fühler ausstreckt Richtung Bewegung. Etwa im Schattenbild eines schmiedeeisernen Gitters, dessen Festigkeit und Härte auf den Kanten und Schwüngen des Architekturfragmentes ins Weiche und Runde transformieren.

Eine Auflösung scheinbar fester Formen, die mehr und mehr bestimmend wird in Schöbels Werk, vor allem in Arbeiten, die im Wasser spielen. Fragmentierende Körperbilder, die sich jeder erzählerischen Lesart entziehen. Bilder, die selbst in eine Art flüssigen Aggregatzustand oszillieren. Ein winziger Moment, in dem die in der Erstarrung geballte Energie unwillkürlich über diesen Augenblick hinausdrängt. Bilder, die keinen Mittelpunkt bilden, die dem Auge des Betrachters, der ja auch ein Gewohnheitstier ist, keinen Halt bieten. Dafür offerieren sie einen Dialog für einen fortlaufenden Schau- und Denkprozess.

Das Licht wird zum Akteur

Das Licht selbst wird hier zum Akteur, besonders in einer radikalen Abstraktion im Großformat, wenn das Licht als gleißendes Weiß magmaartig die lagernden Massen aus Schwarz und Aschegrau durchschneidet. Die Nähe zur Malerei ist offensichtlich. Pastos und plastisch wie in einem Slevogt-Gemälde, feinzeichnend und in unendlichen Grau-Valeurs wie in Grüne-waldscher Grisaille-Malerei. In Collagen surreal, Arte povera in harten, kleinformatigen Montagen.

Ein relevantes Werk der Fotokunst, dem sich Nataliya Gurevich in ihrem filmischen Porträt „Volker Schöbel“ auf so sensible wie sprechende Weise nähert. Mit ruhiger Kameraführung und stehenden Bildern wird hier das Schaffen des Fotografen nachvollzogen. Ja, sein ganzer Reichtum sichtbar. Zugleich gibt Volker Schöbel, 1944 in Sachsen geboren, 1970 nach Stuttgart gekommen, in diesem Film Einblicke in seine Biografie und die damit verknüpfte Entwicklung seines Werkes. Gedankenreiche, wohldosierte Reflexionen über das Fotografieren, das hier auf faszinierende Weise zum Ausdruck, ja zum Medium von Leben und Sein wird. Und weil der Film im Verein mit einer wunderbar klingenden, ernsten Musik einen zwingenden Rhythmus findet, gilt für das Filmporträt, was Volker Schöbel finalerweise über sich und sein Schaffen äußert: „Kunst ist Nahrung, ohne Nahrung können wir nicht leben. Ohne Kunst kann auch ich nicht leben.“