Mal sind es nur Kringel, mal nur Halbkreise: Renate Antonia Naglers Malereien sind so einfach gehalten wie möglich. Die Künstlerin malt auf einem ganz ungewöhnlichen Papier.

Korntal-Münchingen - Renate Antonia Nagler hat das Bild „Tulpenfeld“ genannt. Aber Tulpen sind darauf kaum erkennbar, zumindest nicht auf den ersten Blick. „Ich male auf die einfachste Art und Weise“, sagt die Künstlerin aus Stuttgart-Stammheim. Ein einfaches Tulpenfeld sieht dann so aus: Drei Streifen in unterschiedlichen Rottönen ziehen sich durch das Bild. Weiße, schmuddlig hingekritzelte und dann wieder verschmierte Kreidestreifen schmücken die Streifen. Der Hintergrund ist pechschwarz. Schließlich – und vielleicht sind das die Tulpen – sind mal hier, mal dort kleine rote Kreise verteilt.

 

Das Bild ist eines von zahlreichen weiteren von Renate Antonia Nagler, die seit dem 7. Mai in der Korntal-Münchinger Galerie 4/1 bis zum 28. Mai ausgestellt sind. „Eigentlich waren ganz andere Arbeiten von Nagler geplant“, sagt Ulli Heyd, die Vorsitzende des Korntaler Kunstvereins. Ein wenig überrascht sei sie gewesen, als die Künstlerin plötzlich ganz neue Bilder mit einem ganz anderen Stil in den Räumen der Galerie aufhängte.

Eine Künstlerin, die sich weiterentwickelt hat

Naglers Bewerbung liegt mittlerweile vier Jahre zurück, die Künstlerin habe sich, so sagt sie, in der Zwischenzeit weiter entwickelt. „Ich habe 2016 ein neues Altersjahrzehnt erreicht, und plötzlich hatte ich einfach das Gefühl, mich von irgendwelchen Ansprüchen zu befreien und einfach so zu malen, wie ich es wollte“, sagt die heute 81-Jährige. Früher habe sie figurativ gemalt – auf ihren alten Arbeiten sieht man noch deutlich die Umrisse von Figuren, die entweder Frauen oder Kinder darstellen sollen. Inzwischen sind ihre Bilder um einiges abstrakter und damit auch reduzierter geworden.

Ihr Atelier befinde sich in ihrem Wintergarten am äußersten Rande Stammheims mit Blick auf die Felder. Dort habe sich Nagler von den Pflanzen um sie herum inspirieren lassen. „Ich wollte kein künstlerisches Problem behandeln, sondern mit meinen Bildern einfach Freude vermitteln“, sagt sie. „Winterblüher“, „Blausterne“, „Junges Kornfeld“ oder „Bald Sommer“ nennen sich ihre Bilder.

Sie alle unterscheiden sich in den Farbtönen, haben jedoch den schwarzen Hintergrund gemeinsam. Passt das zusammen? Ein pechschwarzer Hintergrund und das künstlerische Credo, Freude zu vermitteln? Das Schwarz fördere es viel mehr, sagt Nagler: „Es gibt den Farben eine besondere Strahlkraft.“

„Man braucht sehr lange, um so naiv malen zu können“

Trotz ihrer Stilveränderung in ihrer nun fast 40-jährigen Malerkarriere ist sich Nagler in der Arbeitstechnik treu geblieben. Die Künstlerin, die autodidaktisch mit der Malerei anfing, malt immer noch mit Pastellfarben auf altem, teils zerknittertem oder sogar rissigem Packpapier – ja, Packpapier. Warum nicht eine gewöhnliche Leinwand? „Ich wollte ein Material, in dem Leben steckt“, sagt Nagler. Sie habe früher sogar mal Papier benutzt, das in Bananenkartons als Unterlage verwendet worden sei. „Das gibt’s aber nicht mehr. Das Bananenpapier von heute hat nur noch Löcher, da kann man nicht mehr darauf malen.“

Wer Naglers Bilder betrachtet, der kommt nicht umhin zu denken, dass das Bild von einem Kind gemalt sein könnte. Für Ulli Heyd ist das ein Kompliment: „Man braucht sehr lange, um so naiv malen zu können wie Nagler“, sagt sie. Es sei wie Naglers großes Vorbild Picasso mal nach dem Besuch einer Ausstellung über Kinderzeichnungen gesagt haben soll: „Als ich in dem jungen Alter war, konnte ich zeichnen wie Raphael. Aber ich brauchte ein Leben lang, um so zu malen wie diese Kinder.“