Die Klage der Stadt Waiblingen gegen das Zensusergebnis hat das Verwaltungsgericht wegen einer versäumten Frist abgewiesen. In der Gemeinderatssitzung hat der Kämmerer nun die Schuld für den Fauxpas auf sich genommen.

Waiblingen - Der Waiblinger Oberbürgermeister redet nicht lange drumherum. „Wir haben da einen großen Mist an der Backe“, sagt Andreas Hesky über die von der Stadt vergeigte Zensusklage (wir berichteten). Die wegen einer versäumten Frist seitens des Verwaltungsgerichts Stuttgart abgewiesene Klage gegen das Zensusergebnis und die möglichen finanziellen Folgen sind das eine. Doch das andere ist, dass der Oberbürgermeister obendrein nun damit umgehen muss, dass einer seiner Fachbereichsleiter ihm nicht die Wahrheit gesagt hat.

 

Am Donnerstagabend nämlich hat der Stadtkämmerer Rainer Hähnle öffentlich im Gemeinderat erklärt, dass die falsch verschickte Klage nicht – wie zunächst behauptet – auf das Konto einer unerfahrenen Mitarbeiterin geht. Im Gegenteil: die Frau hatte die Klage im Sommer auf ausdrückliche schriftliche Anweisung des Kämmerers hin an das Statistische Landesamt, also den Prozessgegner, an statt an das Verwaltungsgericht in Stuttgart geschickt.

Falsche Anweisung: „Kurzschlussreaktion“

Der Zettel sei von Hähnle wohl „in einer Kurzschlussreaktion verfasst“ worden, mutmaßt Hesky. Ein ärgerlicher Fehler, den der Mann nach seinem Urlaub mit einem weiteren Fehler habe ausbügeln wollen – mit der ausgedachten Geschichte vom Lapsus einer neuen Mitarbeiterin. „Ihm war klar: So wie es tatsächlich gelaufen ist, wäre die Klage auf jeden Fall verfristet gewesen“, sagt Hesky. Deshalb habe der Kämmerer „eine Geschichte konstruiert, wie es gelaufen sein könnte“.

Rainer Hähnle wiederum hat in der Gemeinderatssitzung erklärt, er habe gegenüber seinem Rathauschef die Tatsache, dass er eine falsche Anweisung gegeben habe, bewusst verschwiegen. „Mir war klar, dass der Oberbürgermeister den Antrag auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sonst nicht unterschrieben hätte“, so Hähnle, der betonte, er habe durch die Aktion Schaden von der Stadt abwenden wollen. Der Antrag kommt einer Fristverlängerung gleich, ist also eine Möglichkeit, eine Deadline nach hinten zu verschieben, falls sie schuldlos versäumt worden ist.

„Als Oberbürgermeister fühle ich mich ziemlich angelogen“, sagt Andreas Hesky. Das Ganze sei eine schwierige Situation und der Stadtkämmerer Rainer Hähnle ein Mitarbeiter, den er in seinen neun Jahren als Oberbürgermeister kennen und schätzen gelernt habe. Die Geschichte habe er geglaubt und daher Anfang September den vorgelegten Antrag unterschrieben. Vor wenigen Tagen habe er sich die Akte dieses Falls geben lassen, um nachzuvollziehen, was da gelaufen sei. Bei der Durchsicht habe er den Zettel mit der Anweisung an die Sekretärin entdeckt.

Der Fehler hat Folgen

Hesky kündigte am Freitag an, es würden nun „beamtenrechtliche Konsequenzen eingeleitet“. Er wolle damit klarstellen, „dass eine Stadt wahrheitsgemäß handeln muss. Eine Lüge an den OB bleibt nicht folgenlos, da muss ich reagieren.“ Insgesamt sei die Angelegenheit „peinlich und ärgerlich“ und es verbiete sich aus seiner Sicht, den Rechtsweg weiter zu beschreiten: „Wir haben die Verfristung zu verantworten.“

Im Rückblick, gibt Hesky zu, „wäre es wichtig gewesen, den Gemeinderat schon im September zu informieren“, dies werde ihm eine persönliche Lehre sein. In dieser Woche habe er einen Brief an das Verwaltungsgericht Stuttgart geschickt. In dem Schreiben heißt es, eine interne Überprüfung der Akten habe ergeben, dass in dem Antrag auf Fristverlängerung sachlich nicht zutreffende Angaben gemacht worden seien. Bislang habe es keine Reaktion des Verwaltungsgerichts gegeben, so Hesky, allerdings sei ihm vonseiten eines Gremiummitglieds eine Dienstaufsichtsbeschwerde angedroht worden.

In einer außerordentlichen Sitzung am 4. Dezember befasst sich der Gemeinderat ein weiteres Mal mit der Zensusklage.

Kommentar: Folgenschwerer Fehler

Hand aufs Herz – was hätten Sie getan? Der Versuch, einen Fehler, den man gemacht hat, auszubügeln, ist grundsätzlich irgendwie verständlich. Eine gute Entscheidung war er aber definitiv nicht. Durch den Schwindel ist weit mehr zu Bruch gegangen, als die Hoffnung auf eine zweite Chance vor Gericht. Das Vertrauensverhältnis ist angeknackst – so ein Vertrauensbruch lässt sich, wenn überhaupt, nur mühsam wieder kitten.

Die Sache muss Konsequenzen haben: für den Mitarbeiter, für das künftige organisatorische Handling solcher Angelegenheiten im Rathaus ganz allgemein, aber auch für die Verwaltungsspitze. Natürlich fällt es dem einen Menschen leichter, dem anderen schwerer, einen Fehler einzugestehen. Trotzdem muss sich die Führungsriege im Waiblinger Rathaus und allen voran der Oberbürgermeister dringend überlegen, wie sie in ihrem Haus ein Arbeitsklima schaffen kann, in dem Mitarbeiter ohne Angst ihre Fehler eingestehen können.

Wenn es gelingen würde, eine solche Atmosphäre in der Verwaltung zu etablieren, hätte die ärgerliche Geschichte um die Zensusklage zumindest einen Sinn gehabt.