Der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und der Sportdirektor Matthias Sammer sehen keine Qualität auf dem Transfermarkt – und verpflichten den früheren Innenverteidiger des VfB Stuttgart.

Stuttgart - Der FC Bayern gilt ja gemeinhin als Vorzeigeclub, der konsequent seinen Weg beschreitet und in Wort und Tat stets eine klare Linie verfolgt. Los geht’s. Also erklärt der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge am Sonntagabend im Fernsehen: „Qualität ist nicht auf dem Markt. Es gibt keine guten Spieler, die von guten Vereinen in der Winterperiode abgegeben werden.“ Und der Sportdirektor Matthias Sammer fügt flugs hinzu: „Es gibt nichts, was uns besser macht.“ In diesem Sinne: herzlich willkommen, Serdar Tasci.

 

24 Stunden nach den Aussagen von Rummenigge und Sammer hat der Rekordmeister die eigenen Stellungnahmen klassisch ausgekontert und aus Moskau den früheren Nationalverteidiger des VfB Stuttgart verpflichtet, der die Bayern jetzt doch besser machen soll. Noch Fragen?

Dass das kein Transfer im üblichen Bayern-Stil ist und nicht dem Selbstverständnis der Macher von der Isar entspricht, belegt allein die Tatsache, dass der Abschluss am Montag erst um 17.54 Uhr verkündet wurde – nur sechs Minuten vor dem Ende der Wechselfrist um 18 Uhr. Dabei waren die Münchner zuvor nicht bekannt für eine mit so heißer Nadel gestrickte Personalpolitik, sondern eher für eine überlegte und weitsichtig nach vorne gerichtete Strategie.

Die Bayern haben nicht agiert, sondern reagiert

Sicher gab es nun nach den langfristigen Ausfällen der verletzten Jérôme Boateng und Javier Martínez einen brandaktuellen Notstand in der Defensive. Darauf haben die Bayern genauso brandaktuell gehandelt. Was bleibt, ist jedoch die rhetorische Ungeschicklichkeit von Rummenigge und Sammer, die erstens ungewohnt ist und zweitens zur Folge hat, dass die Eingewöhnung für Tasci nicht gerade leichter wird.

Denn es gibt ja keine guten Spieler auf dem Markt, haben die Bayern-Chefs gerade selbst verkündet. Also kann er auch kein guter Spieler sein – und entsprechend kritisch wird er vom Boulevard empfangen. So titelt die „Bild“-Zeitung: „ Tasci zu Bayern – warum ausgerechnet DER?“ DER mit Großbuchstaben, wohlgemerkt. Die „tz“ zitiert Tasci mit dem Satz, dass er sich riesig auf die Herausforderung freut – und kommentiert dazu: „Herausforderung? Ja. Große Hilfe? Daran dürfte es Zweifel geben.“ Und die „AZ“ schreibt als Überschrift: „Tasci kommt! Aber lässt Pep ihn auch spielen?“ Pep ist Pep Guardiola, der Trainer. Mit dieser Ungewissheit muss Tasci leben.

Vielleicht sollten die Äußerungen von Rummenigge und Sammer ein Ablenkungsmanöver sein, um die Spur nach Moskau zu verwischen und keine Konkurrenten auf den Plan zu rufen. Ziemlich wahrscheinlich ist jedoch zudem, dass die Bayern auch wirklich so denken, wie es Rummenigge und Sammer noch am Sonntag zum Ausdruck gebracht haben. Jedenfalls ist Tasci bis zuletzt nicht auf ihrer Wunschliste mit Namen potenzieller Neuzugänge geführt worden. Und auch vom Ablauf her mit dem Zeitdruck passt dieser Transfer gar nicht zur angestammten Münchner Philosophie. Die Bayern, die immer agieren wollen, mussten in diesem Fall reagieren.

Die Angst vor Abwehrproblemen

Aber die Angst, mit der Rumpfabwehr in der Rückrunde erhebliche Probleme zu bekommen und die hohen Ziele auch auf internationaler Ebene in der Champions League nicht erreichen zu können, übertrumpfte offenbar die konzeptionelle Komponente. Zumal sonst bis auf Weiteres in Holger Badstuber nur ein gelernter Innenverteidiger im Kader gewesen wäre – und der war in den vergangenen Jahren auch noch extrem verletzungsanfällig und selten fit.

Deshalb dürfte Tasci zumindest in der Bundesliga zu Einsätzen kommen, um Badstuber ab und zu eine Verschnaufpause gönnen zu können – verbunden mit der Hoffnung, dass er in den in der Königsklasse zu erwartenden großen Duellen durchhält. „Wir sind froh, dass wir kurzfristig die Möglichkeit hatten, einen solchen Spieler zu holen“, sagt Sammer am Montag, „Serdar ist in der Lage, uns mit seiner Qualität sofort zu helfen.“

Damit meint er wohl die Qualität, die Rummenigge und er wenige Stunden zuvor auf dem Markt noch vermisst hatten. Unabhängig davon können die Bayern im Sommer entscheiden, ob sie den vorläufig nur ausgeliehenen Tasci kaufen. Dann sind sie auch wieder in der Lage zu agieren.