Das Regierungspräsidium hat grünes Licht gegeben. Doch werden im Bettenhaus des ehemaligen Bürgerhospitals tatsächlich 150 Wohnungen gebaut, muss der Norden ohne Begegnungsstätte für die Bewohner auskommen.

Stuttgart - Bettenhaus? „Das gibt es hier nicht!“ Die beiden Pförtner am Tor zum Gelände des ehemaligen Bürgerhospitals kennen das Hauptgebäude des Areals, in dem Krankenzimmer untergebracht waren, nur als „Haus Nummer 2“ oder unter der Adresse Tunzhofer Straße 12. Sobald die auf dem Areal lebenden Flüchtlinge ausgezogen sind, können in dem denkmalgeschützten Bau aus den 50er Jahren nun doch bis zu 150 Sozialwohnungen entstehen – obwohl der Bezirksbeirat dem Plan in der letzten Sitzung vor der Sommerpause eine klare Absage erteilt hatte. Das Gremium will dort höchstens 120 Wohnungen haben. Doch die Denkmalbehörde im Regierungspräsidium Stuttgart hat grünes Licht für den Umbau durch die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) gegeben. Die rechnet mit Kosten von 32 Millionen Euro.

 

Die Fassade des siebengeschossigen langgestreckten Gebäudes ist wie die berühmte Oper in Sydney aus hellen Keramikfliesen. Das herrschaftliche Treppenhaus mit der Brüstung aus schimmerndem Glasmosaik in der Mitte des Gebäudes beansprucht viel Platz. Vom siebten Geschoss hat man einen fantastischen Blick auf den Norden. Eine Besonderheit ist auch die Dachkonstruktion des Gebäudes aus gewelltem Blech direkt über einem großen Saal, der von Mitarbeitern der Flüchtlingsunterkunft als Versammlungsraum genutzt wird.

Sebastian Sage (SPD), der stellvertretende Bezirksvorsteher von Stuttgart-Nord und selbst Architekt und Bausachverständiger, ist skeptisch, was die Erstellung von 150 Wohnungen in dem Bau angeht: „Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne in dem Gebäude schnell kostengünstig Wohnungen erstellen“, sagt er und ist überzeugt, dass das nicht billiger wird als ein Neubau. Für die bessere Lösung hält er im Einklang mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Bezirksbeirat eine gemischte Nutzung des Gebäudes und vor allem die Unterbringung eines Bürgersaals dort.

SWSG will endgültiges Konzept im Frühjahr vorlegen

Da Nord der einzige von 26 Stadtteilen ohne Bürgersaal ist und seit Jahren darum kämpft, fordern die Bezirksbeiräte jetzt unterm Dach oder im Erdgeschoss des Bettenhauses eine Begegnungsstätte einzurichten. In der könnte dann auch der Beirat tagen. Außerdem will das Gremium im Bettenhaus zwei Kindertagesstätten sowie Lofts für Start-up-Unternehmen, Appartements für Studenten und Wohnungen unterbringen – allerdings eben keine 150 Einheiten. „Wir sind nicht gegen den Bau von Wohnungen. Die können aber auch in einem Neubau statt in einem denkmalgeschützten Gebäude entstehen“, stellt Sage fest. Und die Bezirksvorsteherin Sabine Mezger bestätigt: „Wir brauchen einen Bürgersaal, Räume zu mieten ist zu teuer.“ Ein Bürgersaal auf dem Tunzhofer-Areal habe auch den Vorteil, dass er im Zentrum von Stuttgart-Nord liege und gut zu erreichen sei, sagt sie.

Sages Vorschlag, ein Bürgerzentrum in dem ebenfalls denkmalgeschützten und zum Areal gehörenden Pferdestall einzurichten, den derzeit die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) als Garage nutzt, wurde abgelehnt. Sage: „Die Argumente sind immer die gleichen: Erstens ist das nicht vorstellbar und zweitens technisch nicht machbar“. Mit ihren Vorstellungen liegen Sage und der Bezirksbeirat auf der Linie der Bürgerbegleitgruppe Neuordnung Areal Bürgerhospital/AWS. Zu ihr gehören die Pragschule, das Familienzentrum und die beiden Kirchen. Koordinator Wolf Dieter Dallinger: „Werden aus den Krankenzimmern Studentenappartements, muss nicht groß umgebaut werden.“

Die SWSG teilt auf Anfrage mit, dass der aktuelle Planungsstand im Bettenhaus 135 bis 145 Wohnungen, eine Kindertagesstätte und das Familienzentrum vorsieht. Die Gesamtwohnfläche von 7500 Quadratmetern soll in Ein- bis Vier-Zimmer- Wohnungen aufgeteilt werden. „Jede weitere Gemeinschaftsnutzfläche geht zu Lasten der Wohnraumbeschaffung“, so die SWSG. Das endgültige Konzept und die Wohnungszahl sollen im Frühjahr vorliegen. Im Sommer soll Baustart sein. „Selbstverständlich prüfen wir die Wünsche der unterschiedlichen Beteiligten“, teilt die SWSG mit. Insgesamt sind auf dem Gelände 600 bis 660 Wohnungen geplant.