Erstmals sollen die Nachtflugbeschränkungen auf dem Filder-Airport auch für laute Propellermaschinen gelten. Den vom Fluglärm betroffenen Kommunen gehen die Änderungen allerdings nicht weit genug.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filder - Für Flughafen-Chef Georg Fundel bewegt sich der Geräuschpegel in der Einflugschneise im grünen Bereich: „Wir haben kein Lärmproblem“, bekräftigte der Airport-Manager, als er kürzlich bei der Präsentation der Halbjahrsbilanz von den Bemühungen um eine immer leiser werdende Flugzeugflotte berichtete. Ins Feld führt Fundel außerdem, dass der Flughafen verstärkt auf Elektrofahrzeuge setzt und sich die Zahl schwerer Düsen-Jets in einem Sinkflug befindet. „Es ist unstrittig, dass eine Maschine, die nicht fliegt, auch keinen Lärm verursacht“, stellt Fundel fest.

 

Für die von der Lärmkulisse betroffenen Bürger auf den Fildern stellt sich die gefühlte Schallbelastung allerdings ganz anders dar. Obwohl der Flughafen mit 59 785 Starts und Landungen in den ersten sechs Monaten quasi auf Vorjahresniveau lag und bei großen Maschinen gar einen Rückgang um 1,3 Prozent verzeichnet hat, leiden viele Menschen unter der Dauerbelastung durch den Airport. Wer auf den Fildern lebt, muss mit Fluglärm leben.

Für die lärmgeplagten Bürger eine kleine Entlastung

Entsprechend spürbar war das Bauchgrimmen, als sich die Filderstädter Stadträte jüngst mit einer Änderung der luftrechtlichen Erlaubnis für den Flughafen befassten. Auf den ersten Blick ist die für den Herbst geplante Verschärfung der Nachtflugregeln für lärm-geplagte Bürger ein Gewinn: Für Postflüge soll es künftig nur noch eine Genehmigung geben, wenn die benutzten Flugzeuge auch die höchsten Lärm-Standards der inter-nationalen Luftfahrtorganisation ICAO erfüllen. Auch Propellermaschinen sollen den Flughafen nachts nur noch ansteuern dürfen, wenn sie den aktuellen Schallschutzwerten entsprechen.

Zu einer Oase der Ruhe wird Filderstadt mit der geplanten Änderung nicht. Das zeigt schon ein Blick auf die Flugzahlen. Bei den Postmaschinen handelt es sich mit monatlich 36 Starts und Landungen um überschaubare Größenordnungen. Und mit lautem Propeller waren im gesamten Jahr 2013 nachts nur zehn Flugzeuge unterwegs.

Mit der Neuordnung fallen die laut knatternden Oldtimer der Lüfte erstmals auch unters so genannte Nachtflugverbot. Die Beschränkung sieht vor, dass von 23 bis 6 Uhr keine Starts und von 23.30 bis 6 Uhr auch keine Landungen stattfinden dürfen. Für verspätete Flüge kann der Flughafen als Ausnahme aber noch bis 24 Uhr eine Landeerlaubnis erteilen.

Lärmabhängige Tarife für Starts und Landungen

Die verschärfte Nachtflugbeschränkung ist ein Vorgriff auf den Lärmaktionsplan für den Flughafen. Bereits mit dem Jahreswechsel waren lärmabhängige Tarife für die Landeerlaubnis eingeführt worden. Airlines, die den Flughafen mit Maschinen ansteuern, die nicht dem internationalen Chapter-4-Standard genügen, werden seither stärker zur Kasse gebeten als Flugveranstalter mit leiseren Düsenjets. Schon umgesetzt ist die Unterstützung beim Einbau von Lärmschutzfenstern, die geforderte Veröffentlichung der Fluglärmberichte und das Verbot, die Triebwerke zwischen 22 und 6 Uhr im Stand oder zur Probe laufen zu lassen. Bisher noch in der Planung sind eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung eines lärmoptimierten An- und Abflugs, die Verringerung des Bodenlärms und der Einsatz mobiler Messgeräte bei Beschwerden von betroffenen Bürgern.

Allerdings: Fürs Rathaus in Filderstadt ist das in Aussicht gestellte Maßnahmenpaket beileibe nicht befriedigend: „Das ist ein kleiner Schritt, aber bei weitem noch keine umfassende Lärmminderung für die Bevölkerung“, stellt Margit Riedinger vom Umweltreferat klar. In Filderstadt seien gut 2500 Menschen von deutlich erhöhten Lärmwerten betroffen. Allein im Ortsteil Bernhausen liege fast ein Fünftel der Häuser in der Nachtschutzzone.

Fürs Rathaus gehen die Änderungen nicht weit genug

Doch auch außerhalb des schalltechnischen Problembereichs gebe es Wohnsiedlungen, für die nach ärztlichen Erkenntnissen ein zusätzlicher Lärmschutz nötig sei. „Inzwischen sagen ja auch Ärzte, dass die Grenzwerte für Fluglärm viel zu hoch angesetzt sind und die Berechnungsverfahren der Problematik mit den Einzelschallereignissen nicht wirklich gerecht werden“, erklärt Margit Riedinger. Vor allem nächtliche Ausnahmeflüge mit extremen Spitzenpegeln von teilweise über 90 Dezibel stellen aus Sicht der Stadt eine Gesundheitsgefährdung dar – wenn in der Nacht ein Flieger übers Haus donnert, schrecken selbst hartgesottene Airport-Anwohner aus dem Schlaf.

Verärgert ist Filderstadt, dass im Maßnahmenkatalog für den Lärmaktionsplan gerade mal einer von zwölf Punkten berücksichtigt wurde. „Die übrigen Anregungen wurden schlichtweg ignoriert“, klagt Riedinger. Bereits 2012 hatte das Rathaus in einer Stellungnahme massiv erhöhte Tarife für nächtliche Ausnahmeflüge und eine deutliche Reduzierung des Bodenlärms gefordert. Auch der vom Frachtzentrum ausgehende Schall ist für die Stadt ein Grund zur Sorge.

Befürchtet wird in Filderstadt außerdem, dass es durch die Neuregelung letztlich mehr Flüge zwischen 22 und 7 Uhr geben könnte – für die Stadt ein besonders kritischer Zeitraum. „Für die ohnehin stark belastete Bevölkerung wäre diese Entwicklung nicht hinnehmbar“, heißt es.

Militärjets dürfen auch in der Nacht starten

Die Fluglärmkommission unter dem Vorsitz von Ostfilderns Oberbürgermeister Christoph Bolay hatte die Änderungen begrüßt, bei der Beratung aber ein weiteres Problemfeld ausgemacht: Nach wie vor unterliegt der militärische Luftverkehr nicht den Nachtflugbeschränkungen. Der Rathauschef will in Berlin mehr Rücksicht einfordern. „Bei allem Verständnis für die Manöver sollte auch den Streitkräften klar sein, dass sie in einem dicht besiedelten Raum unterwegs sind“, sagte der OB.