Nachdem die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft worden ist, stieg die Zahl der in weiterführenden Schulen nicht versetzten Schüler. Jetzt liegen dazu konkrete Zahlen vor.

Stuttgart - Das Thema Sitzenbleiben befeuert die bildungspolitische Debatte in Baden-Württemberg regelmäßig – besonders seitdem Zahlen bekannt geworden sind, wonach mehr Schüler die Klasse wiederholen müssen, seit die grün-rote Regierung die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft hat. Seither können sich Eltern über den Rat der Lehrer hinwegsetzen. Sie können ihr Kind auch in eine weiterführende Schule schicken, für die es in den Augen der Pädagogen, die das Kind seit dem Start seiner Schullaufbahn betreut haben, gar nicht geeignet ist. Muss es da nicht vermehrt zu Überforderungen kommen? Zum reihenweisen Scheitern?

 

SPD und Grüne haben eine Recherche veranlasst, die solche Folgerungen einerseits relativiert, andererseits bekräftigt. Das Kultusministerium hat flächendeckend an verschiedenen Schularten in verschiedenen Klassenstufen in verschiedenen Jahren die Quote der Sitzenbleiber ermittelt, und das auch noch in unterschiedlichen Landkreisen. Erstes Ergebnis: trotz der vielfältigen Aspekte ist die Datenbasis eigentlich noch zu dünn. Denn seit dem Inkrafttreten der freien Wahl zum Schuljahr 2012/13 liegen erst die Auswertungen eines einzigen Jahrgangs vor. Die Daten von 2014 sind noch nicht erhältlich. Eine belastbare Zeitreihe lässt sich so nicht arrangieren.

Nur ein Jahrgang

Ziemlich deutlich tritt allerdings zu Tage, dass es quer durchs Land offenbar gewaltige Unterschiede gibt. Zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen einzelnen Regionen. Allerdings datieren die Zahlen für die Landkreise von 2012, also aus einer Zeit als die Empfehlung noch verbindlich war. Schon damals war die Sitzenbleiberquote an den Realschulen am höchsten. Hoch ist sie – egal ob an Werkreal- oder Hauptschule, Realschule oder Gymnasium – in Stuttgart, Heilbronn, Mannheim oder Pforzheim. Niedrig ist sie im Oberland, im Bodenseekreis, im Landkreis Ravensburg oder im Ortenaukreis.

Die Bandbreiten sind beträchtlich. Bei den Realschulen reicht sie von 1,3 Prozent im Kreis Schwäbisch Hall bis 5,3 in Stuttgart; bei den Gymnasien geht sie von 1,1 Prozent im Landkreis Sigmaringen bis 4,0 Prozent in Heilbronn, bei Werkreal- und Hauptschulen von 0,4 Prozent im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald bis 2,6 in Pforzheim. Über die Gründe dieser Unterschiede sagen die Zahlen nichts aus.

Die verflixte achte Klasse

Was sich auch ablesen lässt: die besonders kritische Klassenstufe ist die achte in  Werkrealschule und Gymnasium, die neunte an Realschulen. An den Gymnasien pendelt die landesdurchschnittliche Nichtversetztenquote in dieser Stufe zwischen 3,1 Prozent (2009) und 3,3 Prozent (2013). Insgesamt hat die Quote an Gymnasien zugelegt, von 2,2 Prozent (2009) auf 2,5 Prozent (2013). Auffällig ist in der Tat die Klassenstufe fünf, denn hier sind 2009 nur 0,3  Prozent der Neuzugänge gleich hängengeblieben, 2013 aber 1,2 Prozent. Ein ähnliches Bild herrscht an den Realschulen. Insgesamt blieb die Nichtversetztenquote über die Jahre bei 3,3 Prozent fast konstant. In der Klassenstufe fünf aber hat sie deutlich zugelegt, von 0,9 Prozent (2009) auf 3,3 Prozent (2013).

Sehr ruhig geht es demgegenüber an den immer kleiner werdenden Werkreal- und Hauptschulen zu. Die Quote der Sitzenbleiber ist sogar leicht gesunken – von 1,6 auf 1,5 Prozent; in der Klassenstufe fünf ist sie von 0,8 auf 0,9 Prozent leicht gestiegen.