Nach vielen Streitereien haben sich CDU und CSU jetzt wieder zusammengerauft. Doch die öffentlich zelebierte Harmonie ist brüchig, kommentiert Norbert Wallet.

München - Kann das gut gehen? Können die Versöhnungsroutinen zwischen CDU und CSU tatsächlich zweifelnde Wähler wieder an die Union binden? Man muss aus Sicht der beiden Parteien einen guten Schuss Optimismus haben, um das zu glauben. Denn wer soll Horst Seehofer und Angela Merkel tatsächlich abnehmen, dass nun tatsächlich alles bereinigt sei, aller Streit begraben und vergessen alle Demütigungen? Kaum jemand wird das tun. Zu deutlich ist der Eindruck, dass hier Potemkinsche Dörfer aufgebaut werden.

 

Diese Skepsis liegt natürlich auf der Hand. Nur gehört es zu den Kompliziertheiten im vielfach gebrochenen Verhältnis der beiden Schwesterparteien, dass diese Sicht der Dinge nicht ganz fair ist. Tatsächlich verbindet CDU und CSU mehr als jede andere Konstellation zweier demokratischer Parteien in Deutschland. Es ist nämlich keineswegs so, als trieben CDU und CSU auf zwei getrennten Eisschollen. Christliches Menschenbild, das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, proeuropäische Orientierung, eine Abneigung gegen zu viel staatliche Bevormundung, eine grundsätzlich amerikafreundliche Haltung – das alles müsste eigentlich ein stabiles gemeinsames Fundament liefern. Und in Bayern ist die CSU längst schon jene Partei der Mitte, die der Kanzlerin für die CDU auch vorschwebt.

Die Flüchtlingsfrage führte zum tiefsten Zerwürfnis

Nur erzählt die CSU diese Geschichte gemeinsamer Verwurzelung nie. Mag sein, dass es auf einem tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex beruht, dass die Bayern auch dann an der reichlich defensiven Legende von der tapfer gegen eine christdemokratische Übermacht streitenden Landespartei stricken, wenn eigentlich eine Erfolgsgeschichte zu erzählen wäre.

Das zeigt besonders die Flüchtlingsfrage, die zum bisher tiefsten Zerwürfnis beider Parteien geführt hatte. Bayern musste die Hauptlast der Zuwanderung schultern – eine gewaltige Aufgabe, die das Land aufgrund einer ausgesprochen tüchtigen Verwaltung und einer sehr hilfsbereiten Bevölkerung bravourös meisterte. Horst Seehofer hätte stolz sein können. War er aber nicht. Er war sauer. Weil er sich nicht als Anstoßgeber, sondern als von den Ereignissen Getriebener sah. Aus einer gemeinsamen Erfolgsstory wurde ein Quell der Auseinandersetzung mit der Kanzlerin. Das ist nur das wichtigste Beispiel, es gibt auch andere. Rente, Steuern, Europa: Überall betont die CSU den Konflikt, obwohl jeweils ein Kompromiss in Reichweite liegt.

Die Zerstrittenheit kann der Union teuer zu stehen kommen

Dieses Spiel der Zuspitzung hat bittere Konsequenzen. Die Union erscheint heute gespaltener, als sie es tatsächlich ist. Das ließe sich vielleicht noch verkraften. Aber der zelebrierte Dauerkonflikt zermürbt und untergräbt die Stellung der Kanzlerin. Der permanente bayerische Widerspruch lässt sie führungsschwächer erscheinen, als sie ist, weil sie immer nur eine Meinung im Stimmenchor der Union liefern kann, aber nicht ihre allgemein akzeptierte Position.

Das kann der Union noch teuer zu stehen bekommen. Im kommenden Bundestagswahlkampf werden Glaubwürdigkeit und Vertrauen die härteste Währung sein. Die Zeiten sind unübersichtlich, und niemand kann voraussehen, welche Fragen im Laufe der Wahlperiode die entscheidenden sein werden. Also wird man für diese Nebelfahrt jenen Lotsen wählen, den man für den zuverlässigsten hält – eine Wahl auf Vorschuss. Nur kann der nicht hoch ausfallen, wenn aus den eigenen Reihen der Verdacht geschürt wird, da verabschiede sich jemand von gemeinsamen Fundamenten.

Vielleicht hat Horst Seehofer das jetzt erkannt. Er ist klug genug, um zu sehen, welche Gefahr der Union von einem SPD-Kandidaten droht, dessen Partei geschlossen hinter ihm stehen wird. Doch er hat in der Vergangenheit schon so viele Volten hingelegt, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die neue Hinwendung zu Angela Merkel sein letztes Manöver war.