Bei der Neuvergabe ihrer Konzessionen für das örtliche Strom- und Gasnetz stößt die Selbstbestimmung der Kommunen an rigide Grenzen. Jüngstes Beispiel: die Stadt Bönnigheim wiederholt sein Vergabeverfahren – mehr oder weniger freiwillig.

Kreis Ludwigsburg - Die kommunale Selbstverwaltung gilt als hohes Gut im politischen System Deutschlands. Städte und Gemeinden haben oftmals freie Hand: Sie dürfen selbst Steuern einführen, ja sogar neue erfinden, Ja oder Nein zu Bauplanungen sagen, Straßen bauen, Vereine fördern – je nachdem, was ihnen sinnvoll erscheint. Neuerdings findet diese Autonomie aber rigide Grenzen. Denn Städte und Gemeinden dürfen offenbar nicht ohne Weiteres ihren Altkonzessionär für das kommunale Strom- oder Gasnetz vor die Tür setzen.

 

Jüngstes Beispiel ist die Stadt Bönnigheim. Bereits im März 2013 hat der Gemeinderat die Kriterien beschlossen, die der künftige Netzbetreiber erfüllen muss. Bisheriger Betreiber ist die EnBW. Ähnlich wie beim Gasnetz, das gemeinsam mit der Heilbronner Versorgungsgesellschaft betrieben wird, machte sich die Stadt auf die Suche nach einem Betreiber, der gleichzeitig Kooperationspartner sein könnte. „Früher ging so was praktisch im Vorbeilaufen“, sagt der Bürgermeister Kornelius Bamberger. Heute ist das ganz anders.

Ein „sechsstelliger Betrag“ im Haushaltsplan

Wie zahlreiche andere Kommunen auch sieht Bönnigheim sich nun gezwungen, das ganze Prozedere zu wiederholen. Einen „sechsstelligen Betrag im Haushaltsplan“ habe er bereits reservieren lassen. Nicht eben billig sei der Posten für die Beratungshonorare, gibt Bamberger zu. Vor allem deshalb, weil die Stadt neben der reinen Beratung zur Konzessionsvergabe auch Schulungen und Infos zu möglichen Kooperationen, etwa im Rahmen von Stadtwerken, mitgebucht habe. „Das muss parallel geprüft werden“, sagt der Bürgermeister Bamberger, „wir wollen dem Gemeinderat wirklich alle in Frage kommenden Varianten aufzeigen.“

Als Grund für die erzwungene Wiederholungsschleife gilt ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das auch schon anderen Kommunen, darunter Filderstadt (Kreis Esslingen) oder Freiberg, die Neuvergabe erschwert hat. Ende 2013 brachten die Karlsruher Richter viele Vergabeentscheidungen ins Wanken, weil sie beispielsweise das Thema Kooperation strikter von der eigentlichen Vergabe getrennt sehen wollten. Zudem werden hohe Ansprüche an die Gewichtung einzelner Kriterien gestellt – zu hohe, wie viele Bürgermeister finden.

Schiffbruch auch in Filderstadt und Freiberg

Unlängst hatte Filderstadt mit seiner Vergabe vor dem Landgericht Stuttgart Schiffbruch erlitten. Einerseits, weil die Unterkriterien im Vergabekatalog nicht akribisch genug gewichtet wurden. Andererseits aber auch, weil die Stadt sich frühzeitig deutlich für eine Kooperation mit dem künftigen Wunschkonzessionär, der FairEnergie der Stadtwerke Reutlingen ausgesprochen hatte. Jetzt muss die Große Kreisstadt neu vergeben – wahrscheinlich mit ähnlich hohen Beraterhonoraren wie in Bönnigheim.

In Freiberg hatte die Landeskartellbehörde für Energie die geplante Vergabe an die EnBW-Tochter Netze BW gestoppt. Eine Beschwerde des aktuellen Betreibers, der Süwag-Tochter Syna, in Stuttgart hatte Erfolg. Zurzeit nimmt Freiberg einen zweiten Anlauf. Dabei spricht Kornelius Bamberger sicher im Sinne seiner Kollegen, wenn er sagt: „Wie die Vergabe nicht geht, wissen wir inzwischen. Wie es gehen soll, ist bei Weitem nicht so klar.“

Ein Problem für die Stadtwerke?

Derweil bangt Bambergers Kollege in Freiberg, Dirk Schaible, um seine jüngst gegründeten Stadtwerke. Ohne ein Strom- oder Gasnetz würde sich das Portfolio des Tochterbetriebs nur auf das Verkaufsgeschäft an Privathaushalte beschränken. Der wesentlich lukrativere Netzbetrieb mit dem Wunschpartner EnBW kann aber nur beginnen, wenn die Stadt die Quadratur des Kreises bewerkstelligt: Einerseits wird bereits mit der EnBW kooperiert, andererseits muss sie beim Netzbetrieb so tun, als spiele das keine Rolle. Schaible gibt sich zuversichtlich: „Ich setze darauf, dass wir das rechtskonform hinbekommen.“