Ausfälle und Verspätungen häufen sich. In vielen Fällen können Reisende Anspruch auf Entschädigung anmelden. Besonders bei Air Berlin und Niki gibt es Probleme, wie ein Beispiel einer Filderstädter Familie zeigt, die ihren Urlaub auf Ischia verbringen will.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Wer früh bucht, bekommt oft gute Preise. Daran hielten sich auch zwei Familien aus dem Raum Stuttgart und sicherten sich Ende vorigen Jahres bei Air Berlin Flüge von Stuttgart nach Neapel und zurück. Zehn Tage Erholung auf Ischia sind geplant. Am 7. Juni sollte der Flieger nach Italien starten, und per Bus, Fähre und Taxi soll es weiter zum Hotel auf der schönen Ferieninsel gehen. Doch mit dem Sommerurlaub haben die Familien erst mal jede Menge Ärger.

 

„Die Flugbuchungen wurden seit Dezember bereits drei Mal geändert“, schildert Stefan Bauer (Name geändert) das nervige Hin und Her. Offenbar habe Air Berlin noch größere Probleme als bekannt, meint der Mann aus Filderstadt, der sich verärgert an unsere Redaktion gewandt hat. Der Fall der fünf Filderstädter zeigt exemplarisch, was Flugreisende erleben können und mit welch spärlichen Informationen manche Anbieter ihre Kunden abspeisen.

Auf einen schriftlichen Einspruch erhält die Familie keine Reaktion

Den Betroffenen bekamen vor Wochen plötzlich per Mail lapidare Standardschreiben von Air Berlin, worin es heißt, es sei „aus bislang nicht vorhersehbaren Gründen“ leider erforderlich, „die Durchführung des Fluges teilweise zu ändern“. Dann sind unter der Buchungsnummer die „aktuellen Flugzeiten“ aufgeführt mit dem Zusatz, man bitte für die „Unannehmlichkeiten“ um Verständnis und wünsche „einen angenehmen Flug“.

Den Rückflug hatten die Filderstädter ursprünglich für den 17. Juni um 14.25 Uhr gebucht. Erst kam die Verlegung um drei Stunden später, dann die Änderung des Starts schon auf 10 Uhr. Um diesen Flug in Neapel zu erreichen, müssen die Urlauber schon um vier Uhr morgens im Hotel auf Ischia los. Die Reisenden legten per Mail Einspruch ein, ohne Reaktion. Erst am 10. Mai meldete sich Air Berlin: Auch der Hinflug sollte nun vom 7. auf den 8. Juni verschoben werden.

Umweg über Berlin als Ausweg

Entnervt rief Bauer darauf bei der Hotline des kriselnden Unternehmens an. Und hörte von dort erstaunt, es seien „einige Flüge verkauft worden“. Der Hinflug einen Tag später werde nun mit Eurowings erfolgen. Einige Direktflüge von Stuttgart nach Neapel gebe es künftig gar nicht mehr. Es seien aber kostenfrei Umbuchungen oder Stornierungen möglich.

So weit, so schlecht. Zur Hauptreisezeit hätte die Gruppe bei Stornierung kaum noch so kurzfristig Flüge zu günstigen Preisen erhalten. So akzeptierte Bauer zähneknirschend die Umbuchung und eine vierte Änderung. Nun können die Württemberger doch schon am 7. Juni wie gebucht in den Urlaub starten. Doch statt des Direktflugs gen Italien, der gestrichen wurde, geht es erst mal in entgegengesetzter Richtung nach Berlin, wo Air Berlin sein Drehkreuz hat. Dort heißt es Umsteigen und drei Stunden warten, bevor die Urlauber endlich mit einer zweiten Maschine zurück gen Süden bis Neapel fliegen können.

Portal für Fluggastrechte berichtet von zunehmenden Problemen

Auch der Rückflug läuft anders als geplant und gebucht. Die Gruppe muss sehr früh aufstehen, um die Maschine in Neapel um 10 Uhr zu erreichen. „Alternativ hätte es nur einen Rückflug einen Tag später am 18. Juni gegeben“, berichtet Bauer. Diese Umbuchung hätte die Urlauber aber wieder erst nach Berlin geführt und von dort mit einem zweiten Flieger nach München. Von dort wiederum hätte die Gruppe auf eigene Faust heimkommen müssen, zum Beispiel mit der Bahn. Die Kosten hätte Air Berlin erstattet – doch die Rückreise hätte ein Vielfaches der Zeit des gebuchten Direktflugs gekostet.

Solche Fälle überraschen Experten kaum noch. Die Zahl der Chaosflüge steige und es gebe immer mehr gestrichene Flüge, berichtet EU-Claim, ein holländisches Unternehmen, das Fluggastrechte für Reisende gegen Erfolgshonorar durchsetzt. Auch im Sommerflugplan setzten sich bisher die bekannten Probleme nahtlos fort, sagt Flugdatenanalyst Paul Vaneker. Bereits bis Ende April fielen demnach 6266 Flüge von und nach Deutschland aus.

600 Euro Entschädigung ab mehr als drei Stunden Verspätung

Weitere 1325 Maschinen landeten mit mehr als drei Stunden Verspätung. In solchen Fällen können Passagiere abhängig von den Ursachen bis zu 600 Euro Entschädigung verlangen. Den Verspätungsrekord 2017 hält laut EU Claim bisher ein Eurowings-Urlaubsjet aus Mauritius, der mit mehr als 31 Stunden Verspätung in Köln landete. Im Sommerflugplan stehe bisher die Eurowings-Mutter Lufthansa mit bereits 68 Flügen mit mehr als drei Stunden Verspätung an der Spitze der Liste. Zur gleichen Zeit des Vorjahres, als viele Streiks den Luftverkehr in Deutschland, Frankreich und Italien störten, hatte der hiesige Marktführer bei 57 Verbindungen solch großen Verzug.

Nach Ryanair (36 Verspätungen von mehr als drei Stunden) folgt die bisherige Air-Berlin-Tochter Niki bereits auf Platz 3 der Negativliste mit bereits 33 massiven Verspätungen. Hier gebe es wohl „organisatorische Probleme“, sagt Vaneker. Denn Niki hat von Air Berlin nicht nur das komplette Touristikgeschäft mit allen Spanien- und Italien-Flügen übernommen, sondern soll zudem mit dem Konkurrenten Tuifly fusioniert werden. Hier steht die Zustimmung der Wettbewerbshüter aber weiter aus.

Oft können Verbraucher ihre Rechte durchsetzen

Die Crews von Tuifly haben gegen den Plan zudem heftig protestiert, unter anderem mit vielen Krankmeldungen, wodurch ebenfalls vorigen Herbst zahlreiche Flüge ausfielen. Tausenden Passagieren verweigert die Airline seither Entschädigung, die Gerichte müssen entscheiden. In vielen Fällen aber sind Reisende erfolgreich. Allein EU Claim setzte seit der Gründung 2007 nach eigenen Angaben bereits für mehr als 300 000 Fluggäste ausgezahlte Entschädigungen von mehr als 66 Millionen Euro durch. Die Erfolgsquote liege bei 97 Prozent.

Air Berlin bedauert auf Anfrage den geschilderten Fall. „Der Umbau des Streckennetzes und die Restrukturierung des Unternehmens stellt für Air Berlin einen Kraftakt dar, der leider derzeit auch für unsere Gäste spürbarer ist als uns lieb sein kann“, erklärt eine Sprecherin. Insgesamt seien rund vier Millionen Fluggäste betroffen. Die zweitgrößte deutsche Airline, die kürzlich einen weiteren Rekordverlust einräumen musste, will sich künftig auf innerdeutsche Strecken, Flüge zu europäischen Städten sowie einigen Langstreckenzielen konzentrieren.

Man biete Gästen, die von geänderten Flugzeiten oder Flugstreichungen betroffen sind, kostenfreie Umbuchungen oder die Erstattung des Flugpreises an, so die Sprecherin. Sind die Flüge Teil einer Pauschalreise, sollen sich die Passagiere direkt an ihren Reiseveranstalter oder ihr Reisebüro wenden. Online können sich Kunden unter airberlin.com/beschwerde melden und zum Beispiel die Erstattung von Mehrkosten, die wegen geänderter Flüge entstehen, verlangen.